Arzt an Bord

Zu Risiken und Nebenwirkungen…..


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ein neues und das letzte Tertial

(c) keystone-orthopedics.com

Unser Praktisches Jahr neigt sich bald schon dem Ende entgegen, die ersten Hälfte, ja sogar die ersten 2/3 haben wir längst überschritten und nun befinden wir uns seit einigen Wochen im dritten und damit letzten Tertial. Wie die Zeit doch vergeht! Standen wir nicht gerade als blutjunge PJ’ler vor unseren Lehrkliniken, bewunderten die „Alteingesessenen“ für ihre Souveränität und ihr Können (und vielleicht auch manchmal ihrem Wissen), waren wir nicht gerade erst aufgeregt, was uns erwarten, auf welche Station es uns verschlagen und wie wir uns im Klinikalltag zurecht finden würden?

Die Zeit rennt vorbei, kaum ist es Montag, da ist es schon wieder Freitag und erneut ist eine Woche der geforderten 42 – 44 Wochen vorüber. Und der Sommer steht vor der Tür, genauso wie der dicke, fette und rot markierte Termin unserer schriftlichen Abschlussprüfung.

Für mich geht es im letzten Tertial in mein Wahlfach und damit in das Fachgebiet, das ich, wenn ich mal „groß“ bin, tagtäglich in der Klinik beackern möchte: die Orthopädie. Ich habe mir bei der Planung meines Praktischen Jahres gedacht, ich fange mit dem Fachgebiet, das mir am wenigsten liegt und auf das ich am wenigsten Lust hatte (also Innere) an, arbeite mich dann über die Chirurgie, um ein wenig Basisausbildung zu bekommen und oft genug im OP gestanden zu haben, hin zu meiner Welt und hebe mir das Bonbon für den einbrechenden Frühling und das Ende des PJs auf. Natürlich auch mit den Hintergedanken im Chirurgie-Tertial im Winter Skifahren gehen und im letzten Tertial die Lage der Klinik in der Schweiz für einige Rennradtouren ausnutzen zu können.

Die aktuelle Klinik, an die ich nun nach dem perfekten Chirurgie-Tertial rotiert bin, liegt wieder in der Schweiz und ist groß, sehr groß und viel größer, als ich eigentlich dachte. Meiner Meinung nach kommt sie locker an unsere Heimatuniklinik ran, dabei ist es gar keine Uniklinik, an der ich jetzt arbeite.
Die Größe der hiesigen Orthopädie mit ihren rund 50 Ärzten hat Vor- aber auch Nachteile. Weiterlesen


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Klimper Klimper

Chirurgen. Machos. „Richtige“ Männer. Hart im Nehmen, noch härter im Austeilen. Die wahren Macher. Halbgötter. Was sag ich – Götter! Titanen! Die einzig wahren Heiler der Medizin! Alle anderen tun ja bloß so und können nichts. Chirurgen – sie regieren die Welt und heilen Patienten. Sie sitzen nur zu Recht in der Nahrungskette ganz oben. Und weil sie so weit oben angesiedelt sind, die Nasen manchmal so hoch getragen werden, dass es beinahe von oben reinregnen kann und man deswegen sowieso viel cooler und toller ist als jeder andere Arzt, darf man sich auch sexistische Sprüche und Macho-Gehabe erlauben.

Und genau davon soll dieser Artikel handeln. Ein wenig Mimimi, ein wenig „so schaut’s aus“ und ein wenig „wie unfair“.

(c) be2.de

Als Frau hat man da bestimmt den ein oder anderen Vorteil, wenn man in eine Männerdomäne kommt – zumal als junge, gut aussehende Studentin in Mitten von älteren Chirurgen. Dieser Klimper-Klimper-Bonus, der dazu führt, dass die Gutaussehenden schneller mehr dürfen und beigebracht bekommen, zerrinnt dann aber wohl, wenn es um wichtige Funktionen geht und die Karriere entscheidend beeinflusst wird – denn da hilft das Aussehen nicht mehr, sondern kommt vielmehr ggf. negativ zu tragen im Sinne von „die hat sich ja nur hochgeschlafen, jemand der so aussieht hat bestimmt nichts auf dem Kasten…“. Und trotzdem, gerade vom Klimper-Klimper im Studentenstatus und die Reaktion der Ärzte soll es hier gehen:

Wir sind hier aktuell drei männliche und eine weibliche PJ’ler. Zugegeben, die PJ’lerin sieht nicht schlecht aus. Das denken viele – sogar der Chef der Chirurgie sprach es neulich im OP aus, als wir drei Männer operierten und  er plötzlich meinte, dass er sie natürlich nur „rein intellektuell“ für keine schlechte Partie halten würde. Hahaha – jedem war aus dem Verlauf des Gesprächs klar, was er wirklich meinte. Seit sie dabei ist, bemerke ich, dass die männlichen Oberärzte der Chirurgie immer wieder ihren Blick über sie wandern lassen, meist unauffällig, manchmal aber auch total auffällig. Musterung bei der Visite, Abscannen des Körpers von Kopf bis Fuß, immer wieder kurzes Hinblicken beim Mittagessen, Blicke auf das Dekoltée im weißen Poloshirt der Klinik….. Ein Oberarzt meinte in der Männer-OP-Umkleide, dass er es ja beinahe schade fände, dass sie in den anderen Saal ginge und ich zu ihm an den Tisch als Assistent käme – da habe er ja gar keine weiblichen Augen am Tisch und nichts Richtiges für die Optik beim Operieren. Gut, es war irgendwie ein Scherz, aber ab und an leicht sexistisch eingestellt sind die älteren Oberärzte in der Chirurgie trotzdem. In einer weitgehend männlichen Domäne kein Wunder, dass man sich irgendwann über jede weibliche Mitarbeiterin freut (zumal, wenn sie wirklich nicht schlecht aussieht).

Viel krasser als bei den Chirurgen und ihren heimlichen Musterungen ist mir die Differenzierung zwischen weiblich und männlich aber bei den Orthopäden aufgefallen. Sie sind allgemein nett (auch zu uns Jungs) – aber bei Frauen immer noch ein wenig mehr. Mehr Verständnis, mehr Rücksicht, weniger schroffer Umgangston, mehr, das man die Damen im OP machen lässt, mehr Vorschussbonus. Und ein paar Oberärzte machen keinen Hehl daraus, dass sie bei Frauen aufklaren und viel freundlicher rüberkommen. Ein Beispiel gefällig?

Sowohl der Kollege als auch ich haben in der Notaufnahme gearbeitet – beim gleichen Oberarzt Dr. Mutschler, der von Seiten der Orthopädie zuständig war. Mit uns wechselte er im Verlauf einer Woche bzw. eines Wochenendes keine fünf Wörter, warf irgendwelche Stichwörter hin oder diktiere irgendwas, das in den Brief musste. Und den Rest schwieg er, war extrem wortkarg und herablassend. Bis ich dann plötzlich die Woche drauf mit der Kollegin auf die Notaufnahme kam und aushelfen wollte – und Dr. Mutschler dort erneut den Oberarztdienst abdeckte. Kaum sah er sie, da zog er sie an einen Monitor, auf dem gerade ein Röntgenbild der Schulter gezeigt war und begann ein zwanzigminütiges Teaching mit ihr. Derweil machten wir zwei männlichen PJ’ler die Notaufnahme und Patientenuntersuchung/-versorgung weiter – und wunderten uns sehr. Mit nur einem Blickwechsel wusste der jeweils andere, was wir gerade dachten. Was geht hier denn ab?
Zugegeben, Dr. Mutschler fragte die Kollegin Basics ab und erklärte ihr nur wenig, was wir orthopädisch angetouchten und interessierten Männer nicht fast schon selbst gewusst hätten. Und irgendwie kam es auch so rüber, als wolle der Oberarzt sich nur (fast wie ein Pfau, der sein Rad zeigt) vor der Kollegin profilieren und ihr zeigen, wie toll er ist und was er alles weiß. Aber allein schon die Bereitschaft mehr als nur 3 Wörter zu wechseln….

Dass dies kein Einzelvorfall war, zeigte sich im weiteren Verlauf immer wieder. Insgesamt fanden die weiblichen Assistenzärztinnen Dr. Mutschler netter als die Männer, mit denen er arbeitete. Zu den Frauen war er immer nett, aufgeschlossen und machte Teaching (sozusagen Schwanzvergleich durch „schau her, wie viel ich weiß und wie toll ich bin“). Bei den männlichen Kollegen dagegen trat er immer wortkarg, knapp angehalten und leicht genervt auf.

Ein anderes Mal steigen die Kollegin und ich aus dem Aufzug, Oberarzt Mutschler kommt uns entgegen. Ich laufe vorweg, er grüßt nur mit einem fast unmerklichen Nick, sieht dann die Kollegin hinter mir, grinst und grüßt freundlich. Tja, douh.

Es ist mir eigentlich egal, wenn Männer meinen gegenüber Frauen anders drauf sein zu müssen. Ich verstehe es, wenn manchmal Machogehabe im OP herausgehängt wird. Der ein oder andere sexistische Witz muss erlaubt sein – das ist eben der Charakter dieser Spezies. Und ja, manchmal sind die Witze lustig und manch OP-Schwester stimmt da gerne mit ins bunte Treiben am Tisch. Auch bei Frauen gibt es solche, die mit Frauen nicht arbeiten können, aber gleichzeitig mit den männlichen Kollegen ein Herz und eine Seele sind.

Was mich aber ehrlich stört, ist, wenn man den Umgang im klinischen Alltag so raushängen muss und so deutliche Unterschiede zwischen den Studenten zu machen. Wir wollen vielleicht alle etwas lernen – wir Orthopädie-interessierten Männer definitiv noch mehr als unsere Kollegin. Hier läge Potential, hier liegt die Zukunft, wenn wir dann mal in seiner Fachrichtung tätig werden und ihn ersetzen/ablösen. Hier wäre der richtige Nährboden für Prahlerei, denn wir würden ihn anhimmeln, wenn er uns nur ein wenig von seinem schier „unendlichen“ Wissen, das er ja anscheinend zu haben scheint, abgeben könnte. Kein Wunder also, dass dieser Oberarzt bei uns männlichen PJ’lern irgendwie kein gutes Ansehen hat. Wir haben ihm nichts getan und über Teaching (selbst, wenn er sich dabei nur selbst darstellen möchte) würden wir uns immer freuen!

Und was erfahre ich eine Woche später? Dr. Mutschler wechselt demnächst die Klinik…. und wird gleichzeitig mit mir an der gleichen Klinik beginnen, an die ich wechseln werde. Also habe ich noch mindestens 15 Wochen die Möglichkeit sein Wohlwollen zu erarbeiten. Oder ihn und seine Masche zu ertragen.

Orthopaedix


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Die Hölle im OP.

Es ist der 31.Dezember – unser OP-Plan ist fast leer, nur ein Eingriff an einer Patienten Mitte 30 steht auf dem Programm. Geplant ist eine laparoskopische Splenektomie, d.h. die Milz soll im Rahmen einer minimalinvasiven Bauchspiegelung entfernt werden. Ein Routineeingriff.

Bei einer Bauchspiegelung wird der ersten Trokar „blind“ eingeführt. Über ihn kann die Kamera in den Bauchinnenraum gebracht werden, so dass die folgenden Trokare mit den chirurgischen Instrumenten unter Sicht inseriert werden können.  Matthias, der Assistenzarzt, führt – wie jedes Mal – den ersten Trokar ein. Es ist diesmal nicht ganz einfach, aber schließlich gelingt es doch. Die Oberärztin will die Kamera einführen doch irgendetwas stimmt nicht, sie sieht nichts durch die Kamera. Dann die Erkenntnis, da ist Blut im Bauchraum, viel Blut.

Und auf einmal geht alles ganz schnell. Während die beiden Oberärztinnen mit dem Skalpell den kompletten Bauch durch einen Längsschnitt eröffnen, rauscht der Blutdruck der Patientin in den Keller. Mit allen Händen wird nun im Bauchraum nach der Blutungsquelle gesucht und die Erkenntnis kommt wie ein Schock: die Aorta, die Hauptschlagader des Körpers, wurde durch den Trokar verletzt. Die Oberärztin packt Matthias am Arm und redet auf ihn ein. Ich kann nicht hören was sie sagt und es könnte von „Alles wird gut, das ist nicht deine Schuld“ über „Reiß dich zusammen“ bis hin zu „Was zum Teufel hast du nur getan“  alles sein. Ich hoffe es ist ersteres.

Plötzlich schlägt der Überwachungsmonitor dieses furchtbare, penetrante Alarmgeräusch an – Asystolie, Herzstillstand. Während die eine Ärztin und Matthias weiterhin versuchen, Herr über die Blutung im Bauchraum zu werden, beginnt die zweite Oberärztin mit der Herzdruckmassage. Die Anästhesistin löst den Rea-Alarm aus und innerhalb von Minuten stehen über 30 Menschen im Raum. Ein großes Durcheinander beginnt, unzählige Leute reden gleichzeitig – die pure Hektik, im Hintergrund piepst unaufhaltsam der Monitor. Ich presse mich mit dem Rücken an die Wand um möglichst wenig im Weg zu stehen.

Die Anästhesisten injizieren unsäglich viele Medikamente. Wer behält eigentlich in diesem Chaos den Gesamtüberblick? Endlich sind auch die ersten beiden chirurgischen Chefärzte da. Dann ein defibrillierbarer Rhythmus – es wird geschockt. Für diese Zeit darf niemand den Patienten berühren. Es sind nur Sekunden, aber in dieser Situation vergehen die Sekunden wie Ewigkeiten – Ewigkeiten, in denen die Patientin unaufhaltsam blutet.

Mittlerweile ist daher einfach überall Blut. Die Handschuhe, OP-Kittel und unzählige OP-Tücher sind komplett rot eingefärbt, auf dem Boden bilden sich rießige Blutlachen. Doch es geht immer weiter, im Wechsel wird reanimiert und defibrilliert, während weiterhin versucht wird die Blutung zu stoppen. Dann der Beschluss: Thorakotomie. Der thoraxchirurgische Chefarzt wird hinzugerufen und eröffnet das Brustbein. Während der ganzen Zeit steht Matthias daneben, an der Patientin selbst tut er nichts mehr, da sind jetzt die ganz Großen am Spiel: 3 Chefärzte und 2 Oberärztinnen, die mit vollem Einsatz um das Leben der Patientin kämpfen. Matthias Gesichtsausdruck ist trotz OP-Maske einfach unbeschreibbar und ich möchte nicht wissen, was ihm gerade durch den Kopf geht.

Das Brustbein ist eröffnet. Das Herz wird jetzt direkt mit beiden Händen massiert. Auch Injektionen direkt in den Herzmuskel sind nun möglich sowie Defibrillation direkt am Herzen. Dazwischen immer wieder die Zwischenrufe des Anästhesisten „Jetzt seit 23 Minuten Asystolie“. Schließlich beschließt der Thoraxchirurg einen Herzschrittmacher anzubringen und schreit cholerisch durch den Raum, da die vorhandenen Elektroden nicht die richtigen sind.

Alle paar Minuten meldet sich der Alarm des Überwachungsmonitors: Herzrythmusstörung/Asystolie. Als ob das niemand hier wüsste. Bis sich einer der Anästhesisten erbarmt und auf den Mute-Knopf drückt – etwas mehr Ruhe, zumindest für ein paar Minuten, dann wird der Alarm wieder auslösen. Wie kann man bei diesem Lärmpegel eigentlich einen klaren Kopf behalten? Das Blut wird literweiße infundiert. Zuerst Blutgruppe 0, die man im Notfall allen Patienten geben kann, später mit passendem Gruppe-A-Blut. Und langsam regen sich auch immer wieder die Diskussionen: Weitermachen?

Es wird weiter gemacht, immer weiter, weit über eine Stunde. Der Thoraxchirurg schreit nun neben der OP-Pflege auch das Herz der Patientin an. Immer wieder wird defibrilliert und nach jedem Elektroschock die bangen Sekunden des Wartens – vielleicht schlägt es ja doch wieder. Doch es schlägt nicht wieder. Und irgendwann muss das auch der Thoraxchirurg akzeptieren.

Die Chefärzte, die Anästhesisten und Matthias gehen. Die vielen Menschen, die Hektik und das panische Piepsen des Monitors hinterlassen durch ihr Fehlen eine seltsame Ruhe. Die beiden Oberärztinnen nähen die Patientin zu, das Angebot des OP-Pflegers, Klammern zu verwenden, lehnen sie ab. Vielleicht ihre Art, durch diesen letzten Zeitaufwand der Patientin die letzte Ehre zu erweisen oder sich zu entschuldigen. Ich weiß es nicht. Dann gehen auch sie und im OP-Saal bleiben nur die großen Pfützen Blut und unzähligen roten Fußspuren zurück.

Der Chefarzt sagt ein paar Tage später zu mir „So etwas habe ich noch nie erlebt. Das war die Hölle.“

Ann Arbor