Es ist der 31.Dezember – unser OP-Plan ist fast leer, nur ein Eingriff an einer Patienten Mitte 30 steht auf dem Programm. Geplant ist eine laparoskopische Splenektomie, d.h. die Milz soll im Rahmen einer minimalinvasiven Bauchspiegelung entfernt werden. Ein Routineeingriff.
Bei einer Bauchspiegelung wird der ersten Trokar „blind“ eingeführt. Über ihn kann die Kamera in den Bauchinnenraum gebracht werden, so dass die folgenden Trokare mit den chirurgischen Instrumenten unter Sicht inseriert werden können. Matthias, der Assistenzarzt, führt – wie jedes Mal – den ersten Trokar ein. Es ist diesmal nicht ganz einfach, aber schließlich gelingt es doch. Die Oberärztin will die Kamera einführen doch irgendetwas stimmt nicht, sie sieht nichts durch die Kamera. Dann die Erkenntnis, da ist Blut im Bauchraum, viel Blut.
Und auf einmal geht alles ganz schnell. Während die beiden Oberärztinnen mit dem Skalpell den kompletten Bauch durch einen Längsschnitt eröffnen, rauscht der Blutdruck der Patientin in den Keller. Mit allen Händen wird nun im Bauchraum nach der Blutungsquelle gesucht und die Erkenntnis kommt wie ein Schock: die Aorta, die Hauptschlagader des Körpers, wurde durch den Trokar verletzt. Die Oberärztin packt Matthias am Arm und redet auf ihn ein. Ich kann nicht hören was sie sagt und es könnte von „Alles wird gut, das ist nicht deine Schuld“ über „Reiß dich zusammen“ bis hin zu „Was zum Teufel hast du nur getan“ alles sein. Ich hoffe es ist ersteres.
Plötzlich schlägt der Überwachungsmonitor dieses furchtbare, penetrante Alarmgeräusch an – Asystolie, Herzstillstand. Während die eine Ärztin und Matthias weiterhin versuchen, Herr über die Blutung im Bauchraum zu werden, beginnt die zweite Oberärztin mit der Herzdruckmassage. Die Anästhesistin löst den Rea-Alarm aus und innerhalb von Minuten stehen über 30 Menschen im Raum. Ein großes Durcheinander beginnt, unzählige Leute reden gleichzeitig – die pure Hektik, im Hintergrund piepst unaufhaltsam der Monitor. Ich presse mich mit dem Rücken an die Wand um möglichst wenig im Weg zu stehen.
Die Anästhesisten injizieren unsäglich viele Medikamente. Wer behält eigentlich in diesem Chaos den Gesamtüberblick? Endlich sind auch die ersten beiden chirurgischen Chefärzte da. Dann ein defibrillierbarer Rhythmus – es wird geschockt. Für diese Zeit darf niemand den Patienten berühren. Es sind nur Sekunden, aber in dieser Situation vergehen die Sekunden wie Ewigkeiten – Ewigkeiten, in denen die Patientin unaufhaltsam blutet.
Mittlerweile ist daher einfach überall Blut. Die Handschuhe, OP-Kittel und unzählige OP-Tücher sind komplett rot eingefärbt, auf dem Boden bilden sich rießige Blutlachen. Doch es geht immer weiter, im Wechsel wird reanimiert und defibrilliert, während weiterhin versucht wird die Blutung zu stoppen. Dann der Beschluss: Thorakotomie. Der thoraxchirurgische Chefarzt wird hinzugerufen und eröffnet das Brustbein. Während der ganzen Zeit steht Matthias daneben, an der Patientin selbst tut er nichts mehr, da sind jetzt die ganz Großen am Spiel: 3 Chefärzte und 2 Oberärztinnen, die mit vollem Einsatz um das Leben der Patientin kämpfen. Matthias Gesichtsausdruck ist trotz OP-Maske einfach unbeschreibbar und ich möchte nicht wissen, was ihm gerade durch den Kopf geht.
Das Brustbein ist eröffnet. Das Herz wird jetzt direkt mit beiden Händen massiert. Auch Injektionen direkt in den Herzmuskel sind nun möglich sowie Defibrillation direkt am Herzen. Dazwischen immer wieder die Zwischenrufe des Anästhesisten „Jetzt seit 23 Minuten Asystolie“. Schließlich beschließt der Thoraxchirurg einen Herzschrittmacher anzubringen und schreit cholerisch durch den Raum, da die vorhandenen Elektroden nicht die richtigen sind.
Alle paar Minuten meldet sich der Alarm des Überwachungsmonitors: Herzrythmusstörung/Asystolie. Als ob das niemand hier wüsste. Bis sich einer der Anästhesisten erbarmt und auf den Mute-Knopf drückt – etwas mehr Ruhe, zumindest für ein paar Minuten, dann wird der Alarm wieder auslösen. Wie kann man bei diesem Lärmpegel eigentlich einen klaren Kopf behalten? Das Blut wird literweiße infundiert. Zuerst Blutgruppe 0, die man im Notfall allen Patienten geben kann, später mit passendem Gruppe-A-Blut. Und langsam regen sich auch immer wieder die Diskussionen: Weitermachen?
Es wird weiter gemacht, immer weiter, weit über eine Stunde. Der Thoraxchirurg schreit nun neben der OP-Pflege auch das Herz der Patientin an. Immer wieder wird defibrilliert und nach jedem Elektroschock die bangen Sekunden des Wartens – vielleicht schlägt es ja doch wieder. Doch es schlägt nicht wieder. Und irgendwann muss das auch der Thoraxchirurg akzeptieren.
Die Chefärzte, die Anästhesisten und Matthias gehen. Die vielen Menschen, die Hektik und das panische Piepsen des Monitors hinterlassen durch ihr Fehlen eine seltsame Ruhe. Die beiden Oberärztinnen nähen die Patientin zu, das Angebot des OP-Pflegers, Klammern zu verwenden, lehnen sie ab. Vielleicht ihre Art, durch diesen letzten Zeitaufwand der Patientin die letzte Ehre zu erweisen oder sich zu entschuldigen. Ich weiß es nicht. Dann gehen auch sie und im OP-Saal bleiben nur die großen Pfützen Blut und unzähligen roten Fußspuren zurück.
Der Chefarzt sagt ein paar Tage später zu mir „So etwas habe ich noch nie erlebt. Das war die Hölle.“
Ann Arbor
25. Januar 2013 um 15:50
Wow.
25. Januar 2013 um 16:28
Oh mein Gott! Mich würde interessieeren, wie die Beteiligten so etwas verarbeiten? Gibt es nach solchen Komplikationen ein internes debriefing mitnpsychologischer Begleitung? Weiter, was ist hier „falsch“ gelaufen“? Was steht am Ende im OP Bericht? Wer der Beteiligten bringt das wie den Angehörigen bei?
25. Januar 2013 um 18:55
Ich habe nichts von einem internen Debriefing oder psychologischer Begleitung mitbekommen, will aber nicht ausschließen, dass das stattgefunden hat. Ich glaube aber eher nicht.
Falsch gelaufen ist in dem Sinne, das der Trokar natürlich nicht die Aorta durchbohren sollte. Das ist eine der sehr seltenen Komplikationen, über die man den Patienten natürlich im voraus aufklärt, die aber natürlich in der Regel nicht vorkommen.
Den OP-Bericht habe ich nicht gelesen, ich gehe aber davon aus, dass, wie in jedem OP-Bericht, einfach steht, was passiert ist und was dann unternommen wurde usw, wie bei jeder „erfolgreichen“ OP oder bei nichttödlichen Komplikationen auch.
In diesem Fall hat eine der beiden Oberärztinnen mit den Angehörigen gesprochen.
Ich hoffe das hat ein bisschen deine Fragen beantwortet.
25. Januar 2013 um 16:51
(auch wenn es nicht so wirklich passend ist, aber koennt ihr vllt in einem anderen artikel erklaeren warum man eine splenektomie machen kann und wann die induziert ist?)
aber das klingt echt schlimm.. der arme arzt, der das gefaessverletzt hat.. hoffentlich habt ihr gute gruppen, um das aufzuarbeiten.
25. Januar 2013 um 19:01
Spontan fallen mir zwei Gründe für eine Splenektomie ein:
1. niedrige Thrombozyten (Blutplättchen), die sich nicht medikamentös erhöhen lassen, z.B. bei der ITP (https://arztanbord.wordpress.com/2013/01/16/krankheit-der-woche-xii-idiopathische-thrombozytopenische-purpura/), das war bei dieser Patientin der Fall.
2. eine Ruptur der Milz durch Trauma.
Ich kann aber gerne nochmal genauer nachschauen, es kann nur sein, dass es ein kleines bisschen dauert 🙂
27. Januar 2013 um 10:26
danke schonmal 😀 aber was sind denn dann die folgen? also die milz erfuellt ja gewisse aufgaben, „wer“ uebernimmt die denn dann?
19. Februar 2013 um 19:23
So, Artikel ist geschrieben und kommt voraussichtlich in der nächsten Woche! Ich hoffe du wirst zurfrieden sein 🙂
25. Januar 2013 um 16:57
Einfach nur schrecklich und fürchterlich.
Vor allem die Umstände. Mitte 30, das halbe Leben vor sich und minimalinvasives Verfahren, um möglichst kleine Narben und schnelle Heilung zu ermöglichen – stattdessen gibt es einen Tod im OP.
Als jemand, der den genaueren Ablauf einer solchen Bauchspiegelung nicht kennt, frage ich mich, wie das überhaupt passieren konnte. Wenn man blind arbeiten muss, wird man sich dafür doch eine maximal ungefährliche Stelle aussuchen, oder nicht?
Wie konnte man denn hier die Aorta treffen?
Soetwas macht wirklich Angst vor minimalinvasiven Eingriffen (sowohl als Patient als auch als Operateur), wäre wirklich nett, wenn das jemand aufklären könnte.
25. Januar 2013 um 19:34
Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht ganz genau warum es in diesem Fall zu einer Beschädigung der Aorta kam. Einer der Gründe war wohl, dass die Patientin sehr, sehr schlank war. Häufig ist es aber schwierig, die genauen Gründe im nachhinein zu evaluieren. Du hast natürlich recht, man muss einen möglichst sicheren „Zugangsort“ wählen. 100%ig sicher ist in der Medizin aber leider gar nichts.
Das sollte aber auf keinen Fall Angst vor einem minimalinvasiven Eingriff machen. Prinzipiell hat jeder chirurgische Eingriff, egal ob minimalinvasiv oder „offen“ potentielle Komplikationen, über die auch im Voraus aufgeklärt wird. Hierzu zählt immer auch die Möglichkeit eines Versterbens während der OP, was zahlreiche Ursachen habe kann. Natürlich ist das aber eine sehr seltene Komplikation, von der man in der Regel nicht ausgeht.
Heutzutage ist die laparoskopische Entferung der Milz die Standard-Vorgehensweise. Die Gesamt-Komplikationsrate liegt beim minimalinvasiven Eingriff (15,5%) deutlich unter der Komplikationsrate beim offenen Eingriff (26,6%). Durch den sehr viel geringeren Gewebsschaden (die Schnitte sind ja viel kleiner) ist die Wundheilung deutlich besser und Infektion treten viel seltener auf. Darüber hinaus sind die Patienten nach einem minimalinvasiven Eingriff schneller wieder fit und können daher deutlich schneller das KRankenhaus wieder verlassen. Das hat den Vorteil, dass die Gefah von so genannten „Krankenhausinfektionen“ wie Harnwegsinfektionen, Lungenentzündung usw. stark gesenkt wird.
Ich persönlich würde mich, auch nach diesem Erlebnis, immer für einen minimalinvasiven Eingriff entscheiden, wenn es an einem Krankenhaus mit viel Erfahrung in dieser Technik stattfindet.
Ich hoffe das hat dir die Angst etwas nehmen könne. Du kannst aber gerne auch nochmal nachfragen, wenn du etwas genauer wissen möchtest.
26. Januar 2013 um 18:17
Danke für die Antwort. Ja, minimalinvasiv sieht trotzdem immer noch eleganter aus. Das geschilderte dürfte auch recht selten sein, denke ich. Hast du vielleicht Zahlen zur Häufigkeit von Aortenverletzungen dabei und dem weiteren Verlauf (also bspw. etwas wie „pro 10000 Eingriffen 2 Aortentreffer, bei Aortenverletzung 50% Chance, es zu überleben“)?
Wenn ich mir die Lagen von Milz und Aorta anschaue, ist mir allerdings noch nicht ganz klar, wie man mit dem Trokar die Aorta treffen kann, die liegt ja relativ weit weg und tief. Etwas zu viel Druck beim Einstechen und dann mit dem „Schwung“ weiter gekommen als gewünscht?
Damit verbunden dann auch, ob und was man etwas dagegen tun kann. Vorstellen könnte ich mir eine Art „Tiefenanschlag“ (natürlich an den Patienten anpassbar), der ein zu tiefes Vordringen verhindert. Oder durch genauere Voruntersuchung, bei der man den „blinden“ Zugangsweg auf Gefahren abklärt. Oder eine Eröffnung mit dem besser kontrollierbaren Skalpell.
Ich sehe das ganze eher technisch. Da ist ein Problem, das nicht sein müsste. Es wird ausschließlich mechanisch durch den Operateur verursacht, ist also keine Reaktion des Körpers. Deshalb muss das für den Operateur auch schrecklich sein. Da denke ich sofort „das muss man doch irgendwie verbessern können“.
26. Januar 2013 um 18:51
Das sind ehrlich gesagt ziemlich viele technische Fragen, auf die ich dir ohne stundenlange Recherche leider keine Antworten geben kann. Prinzipiell gibt es verschiedene Techniken Trokare einzuführen. Es werden für jede OP immer mehrere Trokare verwendet, in der Regel 3-5. Einen für die Kamera, der Rest für Instrumente. Diese liegen natürlich nicht alle direkt über der Milz, die Kamera befindet sich z.B. eher in der Mitte des Bauches.
26. Januar 2013 um 19:28
Kein Ding, sind ja recht spezifische Fragen. Ich versuche dann mal selbst was rauszufinden.
25. Januar 2013 um 17:40
Oh mein Gott, da bekomme ich ja vom Lesen alleine schon eine Gänsehaut.
Ich hoffe alle Beteiligten konnetn sich hinterher nochmal in Ruhe zusammensetzen und darüber sprechen und zwar nicht nur im Rahmen der Auswertungsgespräche sondern auch einfach für euch.
25. Januar 2013 um 19:40
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es ein gemeinsames Gespräch gab. Mit uns PJlern nicht, wir standen ja allerdings auch „nur“ mit dabei, waren also nicht direkt beteiligt. Aber ich gehe schon davon aus, dass danach darüber gesprochen wurde.
25. Januar 2013 um 17:57
Meine Mutter hat etwas ähnliches hinter sich (anderer Grund für den Eingriff/die Untersuchung, aber auch minimalinvasiv und Aorta getroffen) und überlebt. Als ich mich der gleichen Untersuchung unterziehen musste, bei der sie beinahe gestorben wäre, bin ich vorher vor Angst fast durchgedreht… zum Glück ist so etwas extrem selten.
25. Januar 2013 um 19:39
Du hast Recht, das ist zum Glück serh, sehr selten. Aber ich bin mir sicher, dass ich da an deiner Stelle auch extrem panisch gewesen wäre!
25. Januar 2013 um 18:01
Schrecklich. Ich will nicht wissen, wie sich die Angehörigen gefühlt haben, als sie erfahren haben, dass ihre mitten im Leben stehende Verwandte an Silvester bei einem Routine-Eingriff verstorben ist. Ausgerechnet die Aorta zu treffen ist aber auch riesiges Pech.
25. Januar 2013 um 19:38
Ja, ich fand irgendwie auch die Tatsache, dass es Silvester war, zusätzlich erschütternd.
25. Januar 2013 um 18:12
Wer von den Beteiligten muss der Familie der Frau die schreckliche Nachricht überbringen? Macht das Matthias oder einer der Oberärzte?
25. Januar 2013 um 19:36
Das hat eine der Oberärztinnen übernommen.
25. Januar 2013 um 18:47
Das ist realer Horror und dann auch noch für alle Beteiligten und Nichtbeteiligten (Angehörige). Ich könnte mir vorstellen, dass der Matthias keinen Trokar mehr setzen wird oder wie sieht es aus?
25. Januar 2013 um 19:37
Naja, er möchte Chirurg werden da wird er nicht um das Trokarsetzen herum kommen….Ich weiß nicht, ob er es mittlerweile schon wieder gemacht hat, im OP steht er aber auf jeden Fall wieder.
26. Januar 2013 um 14:23
Einer meiner ersten Oberärzte, ein hervorragender Arzt und großartiger Operateur, hat mal zu mir gesagt: „Ein bisschen Demut muss man zu jeder Operation mitbringen – es kann immer etwas schief gehen und keiner von uns ist vor Fehlern sicher!“
Es bringt rein gar nichts, mit Angst an den OP-Tisch zu gehen, aber Demut hilft zu verstehen, dass keiner von uns vor Fehlern, egal wie groß, gefeit ist…
26. Januar 2013 um 14:26
Ich finde, das trifft es sehr, sehr gut. Nicht nur im OP, sondern allgemein in der Medizin.
26. Januar 2013 um 15:36
Wenn ich bedenke, dass erst vor 10 Tagen ein Trokar in mir steckte…da wird mir schon etwas anders.
Aber es hilft nichts, auch ein statistisch sehr geringes Risiko kann individuell ziemlich viel bedeuten.
Wurde eigentlich dieser unglückliche Operationsverlauf nochmals gründlich aufgearbeitet? So in Richtung Fehler-/Ursachenanalyse? Es reicht ja nicht zu sagen „War irgendwie ein Fehler – dumm gelaufen“, sondern eigentlich sollte man sich sehr dafür interessieren, wie es genau zu diesem Operationsverlauf kam. Ein ungewöhnlicher Behandlungsablauf, eine abweichende Anatomie, eine Fehleinschätzung in der geometrischen Anordnung…
Ich würde mich trotzdem wieder minimalinvasiv operieren lassen, falls notwendig.
26. Januar 2013 um 15:44
Wie gesagt, wie genau das alles aufgearbeitet wurde, habe ich nicht mitbekommen. Ich bin zur Zeit in Belgien und hier werden die PJler außerhalb des OPs in solche Dinge nicht miteingebunden. Aber ich bin mir eigentlich schon sicher, dass das Ganze danach noch aufgearbeitet wurde. Es würde mich sehr wundern, wenn nicht.
27. Januar 2013 um 16:46
Hm inwiefern spielt es denn eine Rolle, dass die Patientin „sehr sehr schlank“ war? Das ist mir noch nicht klar … und da ich offiziell mit einem BMI von 18,0 ebenfalls „sehr sehr schlank“ bin (sehr gut trainierte Ausdauersportlerin eben ;)) wird mir gerade etwas mulmig; wußte nicht, dass man damit bei OPs u.U. zu einer Risikogruppe zählt – also soalnge man nicht deshalb so schlank ist, weil man bso. eine Esstörung hat oder Krebs o.ä…
27. Januar 2013 um 17:17
Prinzipiell hast du Recht, man zählt als schlanke Person nicht zu einer besonderen OP-Risikogruppe. Bei schlanken Menschen ist einfach der Abstand zwischen der Bauchdecke und der Aorta geringer, da die dazwischen liegenden Fettschichten viel dünner sind.
Das ist aber mit Sicherheit nicht DER Grund, warum die OP hier schief gegangen ist, nur einer von vielen Faktoren eben, die hier zusammen kamen. Also keine Sorge!
27. Januar 2013 um 23:17
Vielen Dank für deine Antwort :)! Und mal abgesehen von dem tragischen OP-Verlauf, hat mir dein Beitrag von der Schreibweise und dem Erzählstil her sehr gut gefallen. Danke für deine Mühe uns Lesern hier einen Einblick in die unerfreulichen Seiten des „Op-Alltags“ zu geben. … Außerdem tut mir Matthias (neben der Patientin natürlich) ebenfalls Leid, weil ich mir sowas eben auch sehr belastend vorstelle, selbst wenn man in dem Sinne keien Schuld an dem Vorfall trägt.
Wünsche dir beruflich alles Gute und hoffentlich auch ein wneig Spaß 😉
28. Januar 2013 um 20:14
Hey Zoey!
Ganz vielen Dank für das Lob, das hat mich wirklich sehr gefreut 🙂 Spaß habe ich zum Glück fast die meiste Zeit!
28. Januar 2013 um 15:36
Meine Güte, ein Lehrstück der besonderen Art und lehrt definitiv Demut, wenn nicht pure Angst.
Gerade mit solch einer Komplikation würde bei einer Routine-OP vermutlich kein Patient rechnen, trotz Aufklärung.
Mir als potentiellem Patienten macht so etwas jedenfalls Angst, erzeugt aber auch riesigen Respekt vor Menschen, die trotz solcher Komplikationsmöglichkeiten versuchen, anderen Menschen mit einer OP zu helfen.
Wie entfernt man die Milz eigentlich bei solch einem Eingriff? Im Ganzen wird das kaum gehen, oder?
28. Januar 2013 um 20:21
In der Regel gibt man die Milz, nachdem man sie von allen Strukturen, wie Blutgefäße usw gelöst hat, in einen Plastiksack und zerstückelt sie dann in dem Sack. Danach wird einer der Trokare entfernt und durch die Hautöffnung dort wird der Sack mit der zerstückelten Milz herausgezogen. Ich hoffe das hat jetzt Sinn gemacht 😀
29. Januar 2013 um 21:22
Mich würde mal interessieren, ob die Frau einen Hirnschaden oder gravierende Schäden in der unteren Körperhälfte, an Organen usw. gehabt hätte, falls die Reanimation erfolgreich gewesen wäre. Das Blut lief ja aus ihr heraus. Das Gehirn braucht ja Sauerstoff. Klar, solange man Herzdruckmassage durchführt, wird das Blut auch transportiert. Aber wie gut kann denn das Blut in der unteren Körperhälfte überhaupt transportiert werden, wenn doch die Aorta durch ist. Es läuft in den Arm rein (oder?), zum Herz, ein Teil zum Gehirn, aber der Teil der dann abwärts muss läuft ja wieder heraus, oder? Oder konnte die Aorta geflickt (blödes Wort) werden, während die Rea lief??? Oder hatte die Frau dann eine herz-Lungenmaschine? Kann man die überhaupt an kaputte Gefäße anschließen?
Danke für die Aufklärung! Und viele Grüße.
29. Januar 2013 um 22:05
Hi Kamille!
Vielleicht erstmal die einfachste Frage: Das Blut wird entweder in eine Vene am Arm des Patienten infundiert oder in einen „Zentralen Venenkatheter“, der sich in der Regel am Hals oder am Schlüsselbein des Patienten befindet.
Das heißt dann natürlich, dass das Blut durch die Aorta in den Körper transportiert werden muss. Bei der Patientin konnte das Loch nicht geschlossen werden, soweit ich es mitbekommen habe (es war für mich ziemlich schwer den Überblick zu behalten, zumal das Ganze in Belgien passiert ist – also alles nicht auf Deustch ablief). Doch auch mit einem Loch in der Aorta kann immernoch Blut in die untere Körperhälfte gelangen, da nicht das komplette Gefäß durchtrennt wurde (da wäre man innerhalb allerkürzester Zeit tot) sondern du musst dir das Ganze wie ein Gartenschlauch mit Loch vorstellen: Da kommt ja auch am Ende noch Wasser an, nur geht auf dem Weg ziemlich viel verloren. Das größere Problem ist tatsächlich das Gehirn, das einen sehr hohen Sauerstoffbedarf hat. Bei so langen Reanimationen, hier über eine Stunde ab dem erstmaligen Auftreten des Herzstillstandes, sind Schädigungen des Gehirns daher nicht unwahrscheinlich.
In Notfallsituationen kann man tatsächlich eine Art Herz-Lungen-Maschine verweden, diese wird als ECMO (extracorporal membrane oxygenation – heißt nichts anderes, als dass das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff bestückt wird) bezeichnet. Das wurde bei dieser Patientin jedoch nicht gemacht. Angeschlossen wird sie entweder an die Oberschenkelarterie und-vene oder an die Oberschenkevene+die Drosselvene dam Hals des Patienten – je nach dem was man bezwecken möchte. Sie wird also nicht am kaputten Gefäß angeschlossen.
Ich hoffe das hat ein bisschen geholfen.
Liebe Grüße!
3. Februar 2013 um 13:48
Vielen Dank. Genau auf den Punkt gebracht, wie immer.
20. März 2013 um 01:39
Ich verstehe das nicht so ganz : Bauchraum eröffnen, Aorta abklemmen, Naht oder Patch drauf …im zweifelsfall ne sache von 2-3 min (geschätzt als Laie)…
5. April 2013 um 21:00
Hi,
ganz so einfach, ist es leider nicht. Vor der Aorta liegen ja auch noch ein paar Organe (je nach Höhe des Loches) Magen, Darm, oder so. Dann wird das Aufsuchen und Abklemmen der Aorta ja durch die massive Blutung mit dem dadurch verbundenen Übersichtsverlust auch nicht gerade einfacher. Ebenfalls verkompliziert wird die ganze Sache dadurch, dass die Reanimation (Kompressionen auf den Thorax im Takt 100-120/min) den Körper ordentlich erschüttert. Dürfte weniger geworden sein, nachdem „offen“ Reanimiert wurde. Aber ja… rein theoretisch hört sich „Loch flicken“ viel einfacher an als in einem Flugzueg bei Turbulenzen, den angeschlossenen undichten, sich in trüber Brühe befindlichen, flutschigen Gartenschlauch flicken, der sich unter einen Haufen zur Seite zu haltener Putzlappen befindet…
LG
23. April 2013 um 13:15
lies sich schlimm, es werden ca 8000 Milzen entfernt ? meiner Kleinen steht es noch bevor, wenn ich das lese, dann bekomme ich richtig Angst.