Arzt an Bord

Zu Risiken und Nebenwirkungen…..


Ein Kommentar

Fremde Feder: PJ-Alltag in Deutschland – Uniklinik – Innere

(c) wirtschaftsblatt.at

@deMed86 hat uns einen Gastbeitrag zum PJ in der Inneren Medizin einer Uniklinik eingereicht, den wir hier natürlich sehr gerne veröffentlichen wollen. Viel Spaß beim Lesen seiner Erfahrungen!

Lasst mich ein paar Worte zu Beginn verlieren. Uniklinik, das ist kein kleines Haus mit guter Betreuung. Auch heißt das nicht bis zu 700€ im Monat. Sondern eher 100€. Das bedeutet aber gerade in meiner Situation auch nur 3 Minuten zu Fuß entfernt und naja, ich will eh nicht in die Innere Medizin.

Wo befinde ich mich? Es ist eine geteilte Station 11 Zimmer, 22 Betten, davon einige Isozimmer. Manchmal holen wir uns ein Zusatzzimmer von unseren Nachbarn, manchmal sie von uns. Aber alles in allem sind wir meist ausgebucht, wer kennt es nicht.

7:30 Uhr
Der Tag beginnt bei mir wie überall. Ankommen, umziehen, feststellen das wir wieder keine Kleidung mehr in meiner Größe (2) da ist und ich viel zu großes Zeug tragen muss. Danach dann in den Arbeitsraum neben dem Schwesternzimmer und eine Ladung Entnahmezeug abholen. Montags mehr, bis zum Ende der Woche dann weniger. Zu Beginn meiner Zeit auf Station hatten wir 2 PJler, 2 Famulanten und 2 Erasmusstudent. Nun bin ich allein. Kann man machen. Interessanterweise erhöhte sich die Hilfe der Ärzte aber genau in der Weise, in der die Mitstreiter die Station verließen. Findet man auch nicht immer

8:00 Uhr (oder eher später…)
Beginn die Infusionsständer zu sortieren. Ich kenne Häuser, da hängen Schwester alles an. Ich kenne Häuser, da legen sie auch Zugänge. Hier nicht. „Herr XY braucht einen neuen Zugang, der alte lag daneben“ – und ich eile. Das heißt, dass ich aber erstmal alle Ständer den Zimmer zuordnen muss, danach alle anschließen. Hm, dafür muss man nicht unbedingt im PJ sein.

Ca 8:30 Uhr (oder etwas früher)
Visite Beginnt. Meist mit 2-3 Assistenten, 1-2 Fachärzten und Dienstag mit dem Chef. Oder einem Oberarzt. Aber vor allem mit Patientenvorstellung. Kann man am Anfang nervös sein, vor allem bei unserem Chef. Hat man aber erst mal bemerkt, dass er nie pünktlich ist, wenn er überhaupt kommt, dann nimmt man sich schön jemand aus den ersten zwei Zimmer (sind ja bis zu 6 Personen) und ist lange vor dem möglichen Erscheinen des Chefs fertig.

Nun zum Punkt: Dauer einer Visite. Laut Dienstanweisung muss sie um 10 Uhr fertig sein. 22 Patienten, Beginn kurz nach 8 Uhr. Kann man machen. Real ist aber eher gegen 11 Uhr. Bis vor kurzem. Denn da war kurz Weltuntergang, der Chef kam vorbei und erklärte, dass es schneller gehen müsse und das man doch bitte um 10 Uhr fertig sein solle. Tags darauf gab es die Weisung vom Stationsarzt an mich „Stoppen Sie mit, nach 5 Minuten fragen sie mich ‚Gibt es noch weitere Fakten?’ und nach 6 Minuten sind wir beim nächsten Patienten“ Nun ja, Qualität war an diesen Tagen etwas anderes.

Irgendwann zwischen 10 und 11 Uhr
Visite fertig und Blick in „Das Buch“. Gibt es EKGs zu schreiben? Gibt es Aufnahmen? Dann schafft man doch noch was vor dem Frühstück! Sonst lecken nun die Assistenten ihre Wunden und/oder Arbeiten an den ersten Briefen des Tages.

Gegen 12 Uhr
Die erste Aufnahme des Tages ist rum. Das bedeutet am Montag, der Patient kann „frisch“ sein, oder schon seit Freitag nach 16 Uhr auf Station liegen. Da ist eine Aufnahmeuntersuchung besonders lustig. „Wo tat es ihnen denn am Freitag genau weh? Wie waren die Schmerzen?“ Danach wieder eine Aufgabe für jemanden der gerade Zeit hat: Anzahl der Anwesenden * 2 Semmeln vom Bäckerstand holen. Aufenthaltsraum decken und alle rufen. Und nun: Lästern, reden, Spaß haben. Es wundert mich immer wieder, wie man einen Tag mit zwei belegten Semmeln und einem Kaffee überleben kann.

Thema Weiterbildungen
Hier ein kurzer Break in der Zeitleiste:
* Montags um 14 Uhr ist PJ-Seminar. Hier dürfen sich die PJler der Inneren irgendjemand einladen der irgendeinen Vortrag hält. Einladungen gibt es immer, Haltequote 50%. Aber dann mit viel Liebe.
* Mittwoch 8 Uhr (meist 8:20 Uhr nach dem Blut) Fortbildung für alle(!) im Hörsaal. Erst Vortrag, dann Fall. Danach dann Besuch aller Studenten auf einer Station mit Lehrvisite. Meist sehr cool gemacht.
* Donnerstag 12 Uhr Röntgenfortbildung für alle Studenten. Boah, was man machen kann, wenn man als Chefarzt sein Fach liebt, gerne lehrt und im Vergleich zur Vorlesung nur Leute hat die freiwillig kommen. So was bräuchte man viel mehr.

Gegen 13 Uhr
Frühstück ist vorbei. Die restlichen Aufnahmen stehen an. 50 Minuten in guten Fällen, meist länger. Danach noch Labor rausschreiben und einem Assistenten vorstellen. Joah, langsam hab ich den Dreh raus. Es sind ja doch immer nur dieselben Krankheiten. Das besondere ist meist die Geschichte des Patienten. Die Krankheitsbilder sind eben „Innere Medizin“.

16:15 Uhr
Hier wäre Schluss. Bis jetzt einmal um 15:45 Uhr rausgeworfen worden. Meist etwas später. Bitter ist, wenn an einem heißen Tag (die Uni hat die Notaufnahme und nicht das zweite Haus vor Ort) gegen 16:10 Uhr noch jemand kommt und aufgenommen werden will. Kam aber bis jetzt erst zwei Mal vor.

Nun ja, alles in allem recht normal. Bis jetzt hab ich nichts gemacht, was ich nicht schon in der Famulatur gemacht hätte. Aber nun ja. Ich will auch nicht in der Inneren landen und die Lehre gut und das Team spitze. Wird in nächsten Tertial sicher anders.

Persönliche Meinungen, Ansichten, Formulierungen und Äußerungen müssen nicht mit denen des Teams von ArztanBord übereinstimmen oder diese widerspiegeln; Verantwortlich für einen Gastbeitrag ist alleinig der jeweilige Verfasser, der keine finanzielle Gegenleistung erhält.


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Einmal ist immer das erste Mal.

Als Mediziner ist man potentiellen Gefahren ausgesetzt über die andere Menschen nicht einmal nachdenken müssen. Das klassische Beispiel: Stichverletzungen. Obwohl ich bisweilen etwas tollpatschig bin und einen leichten Hang zur Selbstzerstörung habe, bin ich davon in den letzten sechs Jahren wie durch ein Wunder verschont geblieben.

Wobei  – nicht ganz. In einem Studentenkurs vor dem Allgemeinmedizinpraktikum sollten wir lernen wie man richtig impft. Ausnahmsweise nicht direkt am menschlichen Versuchsobjekt, sondern an Orangen. Das Impfen an sich wäre auch überhaupt kein Problem gewesen, wenn man dafür nicht vorher die Schutzkappe von der Nadel nehmen müsste. Ich habe daran gezogen und gezerrt und plötzlich hat sich die Kappe doch gelöst. Überrascht durch den unerwarteten Widerstandsverlust habe ich mir die Nadel mit viel Wucht in meinen Finger gestoßen. Es hat geblutet, ich konnte mehrere Tage den Finger nicht mehr bewegen (und hatte schon Angst, ich könnte einen Nerv oder eine Sehne durchtrennt haben) und habe mich gleichzeitig zum Gespött des ganzen Kurses gemacht – zu Recht, wie ich zugeben muss. Das nächste halbe Jahr lief ich mit einer leichten Angststörung vor Schutzkappen durch die Klinik und ich befürchte, der Allgemeinmediziner, in dessen Praxis ich mein Praktikum absolviert habe, hielt mich für ein bisschen merkwürdig, wenn ich mal wieder etwas hilflos mit der Impfinjektion da stand. Aber auch das größte Trauma überwindet man irgendwann und heute bin ich in der Lage selbstbewusst und ohne Verletzungen die Nadeln von ihrer Schutzkappe zu befreien. Juhu!

Doch diese Woche im OP folgte dann beim Nähen die erste wirkliche Stichverletzung:

Während die Ärztin den Bauch zunäht, gerate ich irgendwie mit meiner Hand in ihre Nadel. Wie genau, kann ich gar nicht sagen. Es geht alles ziemlich schnell, es ist hektisch im OP und dass man sich ein klein wenig piekst passiert eben gelegentlich. Nach einer Minute habe ich den ganzen Vorfall schon längst wieder vergessen.

Beim Handschuhausziehen nach dem Eingriff fällt mir dann jedoch eine blutende Kratzwunde an meinem linken Handrücken auf. Wo kommt das denn her? Wage erinnere ich mich, dass da während der OP ja irgendetwas war. Es war wohl doch nicht nur ein kleiner Pieks. Also bade ich meine Hand eine Weile in Desinfektionsmittel – es brennt ziemlich. So ganz entspricht das nicht dem üblichen Vorgehen bei Stichverletzungen, aber eigentlich sollte man auch sofort handeln und nicht erst eine Stunde nach dem eigentlichen Vorfall. Und etwas Desinfektionsmittel kann ja nicht schaden.

Und dann die Frage: „Melden? Oder besser einfach ignorieren?“ Die Patientin hatte vor wenigen Wochen eine Nierentransplantation und wird daher eigentlich sehr engmaschig überwacht. Außerdem ist sie 67 Jahre alt – dass sie sich da innerhalb der letzten Wochen mit HIV oder dem Hepatitis C Virus angesteckt hat, ist eher zu bezweifeln. Aber was ist, wenn doch? So hadere ich etwa eine halbe Stunde mit mir, bis ich schließlich der beteiligten Ärztin Bescheid sage und sie nach dem üblichen Vorgehen hier in Belgien frage. „Du musst selbst wissen, ob du das melden möchtest…“ ist ihre Antwort. Nicht sehr hilfreich. Letzten Endes entschließe ich mich dem „Better safe than sorry“-Prinzip treu zu bleiben und gehe in die Notaufnahme, um mir Blut abnehmen zu lassen.

Hier werde ich gebeten, erst einmal im Warteraum Platz zu nehmen. So sitze ich in meiner OP-Kleidung mit OP-Haube und lose hängendem Mundschutz zwischen den Patienten und begutachte den Monitor, der mir sagt, dass sich gerade über 30 Patienten in der Notaufnahme befinden und dass versucht wird, die Wartezeit für „gelbe“, also mittelschwer erkrankte, Patienten unter einer Stunde zu halten. Eine Stunde?! Ich bin nicht gelb, ich bin noch nicht einmal grün – gut, vielleicht extremst helles grün. Das kann ja dauern. Die Frau mir gegenüber starrt immer wieder entgeistert auf meine Blut-verschmierten Chucks als ich auch schon aufgerufen werde. Es hat wohl doch Vorteile, hier Mitarbeiter zu sein.

Der Arzt nimmt mir Blut ab, nachdem ich ihm mehrfach versprochen habe, nicht umzukippen, wenn er das bei mir im Sitzen und nicht im Liegen macht. Während dessen stellt er mir eine Reihe von Fragen: „Wurde ihre Haut bei dem Vorfall verletzt“ (Wäre ich gekommen, wenn man nichts gesehen hätte? Definitiv nicht!) „War die Nadel frisch oder war sie schon in Kontakt mit Blut bevor sie sich verletzt haben?“ (Ernsthaft?!) „Ist der Patient noch im OP?“ (Klar, ich lasse alles stehen und liegen und verlasse die OP wegen so etwas.) „Können Sie mit der Verletzung weiterarbeiten?“ (Nein, ich habe eine 5mm lange Wunde! Ich bin schwer verletzt!) Er beschließt, der Patientin Blut abzunehmen und verspricht mir, dass er seinem Kollegen im Spätdienst weitergibt, dass dieser mich anrufen solle, falls die Patientin an HIV oder Hepatitis C erkrankt sei. Denn dann wäre eine prophylaktische Behandlung notwendig – und das so schnell wie möglich.

Den ganzen restlichen Tag starre ich immer wieder auf mein Handy. Angerufen werde ich nicht. Aber man weiß ja selbst, wie durcheinander es bisweilen in der Notaufnahme zugeht. Hoffentlich wurde ich nicht einfach vergessen.

Am nächsten Morgen checke ich gleich die Blutwerte der Patientin – alles ist in Ordnung. Glück gehabt! Den Papierkram muss ich allerdings trotzdem noch erledigen und so kämpfe ich mich gemeinsam mit der Sekretärin durch die belgische Bürokratie, die der deutschen in nichts nachzustehen scheint. Nach zahlreichen Telefongesprächen und mehreren Formularen, in denen man unter anderem angeben muss in welchem Raum in welchem Stockwerk in welchem Gebäude der Vorfall geschehen ist, habe ich es endlich geschafft. Nur dem Chefarzt muss ich das Ganze noch melden. „Ich habe mich da gestern irgendwie gestochen, so ganz genau weiß ich aber auch nicht, wie das passiert ist.“ Peinlich. Aber er ist unglaublich freundlich und besorgt. Das hätte ich ehrlich gesagt von ihm nicht erwartet.

Am Ende beschwere ich mich ein kleines bisschen bei einer unserer Ärztinnen über den ganzen Aufwand wegen so einem kleinen Stich. „Siehst du, deswegen melden wir es nie, wenn uns das passiert.“ Irgendwie verständlich – aber ob das der richtige Ansatz ist. Ich bleibe dann wohl doch eher bei meinem „Better safe than sorry“ und bin dankbar, dass ich mir eine Woche später nur den Handschuh und nicht den Finger durchsteche.

Ann Arbor


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Das Coolste, das ich je in meinem Leben getan habe.

Vor der Laparoskopie, bei der einer 21-jährigen Patientin  ein  gutartiger Lebertumor (fokale noduläre Hyperplasie) entfernt werden soll, fragt mich der Chefarzt, ob ich nicht assistieren möchte. Das wundert mich doch sehr, da es bei Bauchspiegelungen hier für die PJler eigentlich nichts zu tun gibt. Aber „nein“ sagt man da ja natürlich nicht.

Nachdem ich innerhalb der ersten fünf Minuten sogar kurz einen Haken festgehalten habe, verfolge ich in den nächsten zwei Stunden die OP auf dem Bildschirm. Immerhin bin ich steril und kann mir einreden, dass ich gerade einen sehr wichtigen Beitrag zu dieser OP leiste. Der mindestens 10×10 cm große Tumor kann problemlos vom gesunden Lebergewebe abgetrennt werden und muss nun nur noch aus dem Bauchraum entfernt werden. Hierfür erhält die Patientin einen Schnitt im Unterleib, der mit einem  „Kaiserschnitt“ identisch ist, durch den der Tumor geborgen werden kann.

Dann sagt der Chefarzt „So, Ann Arbor, komm mal zu mir. Das wird jetzt ein besonderer Tag in deinem Leben.“

Hilfe! Was wird das denn? Ich gehe also zum Chefarzt, der zwischen den Beinen der Patientin steht. Er nimmt meine rechte Hand und zieht meinen Handschuh so weit wie möglich Richtung Ellbogen. Ich bin nun noch verwirrter als vorher. Was genau erwartet er denn jetzt von mir?

„So, jetzt stecke mal deine Hand hier rein!“

Da der Schnitt gerade groß genug für meine Hand ist, stecke ich sie brav in den Unterbauch der Patientin und freue mich, dass ich mal etwas tasten darf und nicht nur als stiller Zuschauer im OP stehe.

„Ja, und jetzt holst du den Tumor raus!“

Wie bitte?! Der Tumor liegt direkt unter dem Zwerchfell im rechten Oberbauch – das ist am „anderen Ende“ des Bauches. Soll ich da jetzt wirklich mit meiner Hand hin? Einfach so? Ja, das soll ich. Einfach so. Ohne Sicht. Also schiebe ich meine Hand vorsichtig etwas weiter in den Bauch der Patientin und verheddere mich natürlich gleich in den ersten Darmschlingen, die sich mir in den Weg legen. Ich befreie meine Hand und taste mich blind weiter voran. Es ist warm, weich, glibschig und überall ist Darm, den ich irgendwie umgehen muss – ein sehr merkwürdiges Gefühl. Irgendwann komme ich oben bei der Leber an, mein Arm verschwindet mittlerweile bis zum Ellbogen im Bauch der Patientin. Ich versuche den Tumor zu ertasten und halte schließlich irgendetwas in der Hand. Ist das der Tumor? Oder etwa ein Teil der Leber? Vorsichtig ziehe ich etwas daran, nichts bewegt sich.

Auf mein zögerliches „Kann ich denn da irgendetwas kaputt machen?“ folgt die nüchterne Antwort „Na klar.“

Ich versuche vorsichtig, was auch immer ich da in der Hand halte weiter zu mobilisieren.Jja keine Lebergefäße abreißen, falls es doch ein Teil der Leber ist. Aber irgendwann halte ich dann doch das komplette Stück in der Hand, es muss der Tumor sein. Ich ziehe meine Hand wieder durch den gesamten Bauch zurück und bringe den Tumor mit etwas Ziehen und Zerren ans Tageslicht. Der Prof gratuliert mir und ich muss unweigerlich grinsen. Das war das Coolste, das ich jemals gemacht habe…und gleichzeitig war es auch ein wenig erschreckend – in diesem kurzen Ausschnitt aus  „Scrubs“ wird das ganz gut beschrieben.

Nur einen kleinen Wehrmutstropfen gibt es: meine hellgrünen Chucks (ja, hier trägt man seine eigenen Schuhe im OP) sind jetzt voller Blut…aber das war es wert!

Ann Arbor