Arzt an Bord

Zu Risiken und Nebenwirkungen…..


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Chirurgische Visite – warum Vorurteile stimmen

Es gibt viele Vorurteile, was die chirurgischen Visiten anbelangt. Viel zu schnell, nicht interessiert an den Patienten, totaler Tunnelblick auf das chirurgische Problem….

Ich habe jetzt meine ersten Visiten als Verantwortlicher bzw. mit meinem Oberärzten und Chefärzten hinter mir und ich muss sagen: viele der Vorurteile treffen zu. Was aber nicht an uns liegt. Und was nicht immer das Schlechteste für den Patienten bedeuten muss. In chirurgischen Fächern, insbesondere der Orthopädie, gibt es v.a. geplante (elektive) Eingriffe. Die präoperative Abklärung erfolgt hier meist schon vorab, der Hausarzt kann EKG, Röntgen etc machen. Wir Orthopäden kümmern uns dann noch um den Eingriff, bauen das Gelenk ein (mal ganz profan gesprochen), geben dem Körper Zeit sich zu regenerieren und leiten den Patienten in der postoperativen Mobilisation an (bzw. verordnen Physiotherapie, die dann anleiten darf). Unser „Handwerk“ endet mit der OP, danach muss es der Körper richten. Was uns noch bleibt ist, den Patienten zu animieren, zu motivieren und schmerzfrei seine Therapie machen zu lassen.

Deswegen ist es wohl kein Wunder, dass wir mit unseren Visiten relativ zügig durch sind. Denn unmittelbar nach einer OP interessiert uns v.a., ob der Patient Schmerzen hat (die dann vom Schmerzdienst mittels patient-controlled-analgesia, also einer Pumpe mit Morphin, die der Patient nach Schmerz drücken darf, eingestellt werden). Ob das Gefühl und die Motorik in der Extremität nach der OP intakt und unauffällig ist – bzw. nach einer Spinalanästhesie schon zurückgekehrt ist (und dann auch ob der Patient schon Wasserlösen konnte). Ansonsten warten wir direkt nach der OP, dass der Patient seine Narkose ausschläft und sich regeneriert, damit am ersten Tag dann die Physiotherapie beginnen kann (von wegen man liegt eine Woche faul im Bett).

Ab dem ersten Tag geht es bei der Visite dann v.a. darum, ob die Wunde bzw. der Verband in Ordnung und unauffällig ist, ob alle Infusionen und Zugänge zeitnah entfernt sind (Infektionsgefahr). Ob der Patient Schmerzen hat (es geht immer nur um Schmerzen) und ob das Gefühl in der Extremität gut ist (es geht immer nur um Gefühle bei uns ^^). Zuletzt noch Schwellung, Hämatom und z.B. bei Knieprothesen die Streck- und Beugefähigkeit und der Trainingsfortschritt – fertig. Abschließend informieren wir den Patienten über den Stand der Anschlussbehandlung (Reha, Kur, nach Hause?) und wechseln vielleicht noch das ein oder andere Wort – und gut ist. Was soll man sonst noch groß diskutieren?

Sollte es Probleme geben, werden diese natürlich angegangen und mit dem Patienten besprochen – aber viele der Probleme (Medidosis etc) kann man auch am PC verordnen und in Rücksprache mit der Pflege anpassen. Als Patient sieht man sehr wenig davon, was im Hintergrund alles an Fäden gezogen werden und wer was wie lange und warum macht. Dass Austrittspapiere geschrieben werden müssen, Physioverordnungen und Rezepte ausgestellt werden, Reha koordiniert, Röntgen angeordnet, neue Eintritte abgearbeitet, Aufklärungen gemacht… uvm. Davon bekommt der Patient im Bett aber nicht viel mit, er wird eher am Ende eines langen Prozesses einbezogen. Und hat sonst tagsüber v.a. mit Physio, Pflege und anderen Mitarbeitern zu tun.

Also: Vorurteile ja, aber mit gutem Grund. Denn unsere Patienten liegen uns schon am Herzen 🙂 Natürlich!

Orthopaedix

 


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Routine

„Alles immer auf die gleiche Weise zu tun, war für sie keine Routine – es war Perfektion.“
Tom Clancy, Die Stunde der Patrioten

In der Medizin, vor allem in chirurgischen Fächern, geht der Trend zur Spezialisierung. Zur Subspezialisierung. Zum immer weiteren Auffächern der Bereiche in kleine Abschnitte, für die bestimmte Ärzte Spezialisten sind. Ein Trend, der aus den USA über den Teich schwappt und seit einigen Jahren in Europa angekommen ist. War man früher noch „Orthopäde“, ist man heute Spezialist für eines der großen Gelenke. Z.B. Spezialist für Schulter oder Knie, für Hüft- oder Fusschirurgie. Inzwischen gibt es sogar Spezialisten, die nicht mehr für ein Gelenk, sondern nur noch einen kleinen Teilbereich des Gelenkes zuständig sind, so z.B. das vordere Kreuzband des Kniegelenkes, die Rotatorenmanschette der Schulter oder Sprunggelenke des Fusses. Man fächert das Spektrum immer weiter in Subfachrichtungen auf.

Manch einer mag das langweilig finden. Und zugegeben: ich kann mir nicht vorstellen mein komplettes Arbeitsleben nur noch z.B. vordere Kreuzbänder zu operieren. Da verkommt man zum Fachidioten, der man sowieso schon wird.
Der Vorteil an der Spezialisierung liegt andererseits auf der Hand: man wird in dem, was man tut, nahezu perfekt. Wer 20 Jahre Kreuzbänder operiert, der weiß, was er wie abschneiden muss, was wo angesetzt wird, welche Optionen er zu welchem Schritt und bei welcher Verletzung hat…. aber sobald z.B. eine Meniskus-neben der Kreuzbandverletzung vorliegt, ist er überfragt und benötigt Hilfe vom Meniskus-Kollegen. Der dann wiederum perfekt und routiniert in dem ist, was er tut. Man weiß, was man wie tun kann, kennt jeden Handgriff, hat viele Variationen, die jeder menschliche Körper bietet, gesehen und miterlebt, stand vor Problemen, die man meistern musste….

Ihr seht, diese Auffächerung hat Vor- und Nachteile.

In meiner letzten Klinik, in der ich mein Wahlfach Orthopädie ableistete, hatten wir der Spezialisierung insofern Rechnung getragen, als dass es verschiedene Teams gab. Diese hatten einen Teamchef, einen stellvertretenden Teamleiter und  Oberärzte, Oberassistenzärzte und Assistenzärzte. Wobei letztere  durch die Teams rotierten, um eine größtmögliche Ausbildung genießen zu können. Aber die Oberen blieben fix in ihrem Team. So gab es ein Schulter-Ellenbogenteam, ein Hüftteam, ein Knieteam, ein Fuss- und Tumorteam. Und jeder Teamleader war in dem, was er tat, perfekt.

Die Chefs der Hüfte hatten z.B. zwei Tage in der Woche, an denen sie operierten. Marathontage, wie ich sie nannte, denn die Tage gingen meist von 8 Uhr (erster Eingriff) bis nach 18 Uhr (letzter Eingriff) und umfassten regelmäßig 3-4 Hüftprothesen pro Saal (neben anderen Eingriffen wie Hüft-Arthroskopien…). Man sah eindrücklich, was Routine ausmachen kann: eine Hüftprothese minimalinvasiv mit Zement in 43 Minuten einbauen – das muss man erstmal hinbekommen! 15 min für die Pfannenkomponente, 15 min für die Schaftkomponente und den Rest perfekte Präparation (nicht einfach reinschneiden und gut ist) und Verschluss der Wunde. Schweißtreibend und sportlich, regelmäßig standen die Operateure mit Schweißperlen am Tisch. Im 2-Stunden-Takt wuschen wir uns steril für den nächsten Eingriff, das grenzte fast schon Fliessbandarbeit. Dafür saß jeder Handgriff. Jeder Schritt war hundertfach geübt, durchgeführt, die Winkel zum Einschlagen der Prothesenkomponenten stimmten auf Anhieb, Röntgen war intraoperativ gar nicht mehr geplant, per Blick wurden die richtigen Komponentengrößen bestimmt… irgendwie faszinierend.

Ab und an mussten die Teamleader aus den anderen Teams in ihren Diensten Hüftprothesen einbauen, wenn z.B. eine ältere Dame gestürzt war und sich eine Schenkelhalsfraktur zugezogen hatte. Bei solchen Eingriffen sah man als Assistent im Rufdienst eindrücklich, was Routine in der Medizin ausmacht. Wenn man als Assistent, der einige Hüften in den Wochen mitgemacht hatte, beim Leader, der nur selten noch Hüften einbauen muss, sofort sieht, dass der Schnitt mit der Säge nicht im richtigen Winkel angelegt ist und ewig nachgesägt werden muss. Wenn das Ausfräsen der Pfanne nicht richtig klappt, wenn der Hüftkopf nicht gut geborgen werden kann und sie ihn stattdessen versehentlich zertrümmert in Stücken herauszobbeln müssen. Wenn die Zementsperre plötzlich in den Tiefen des Oberschenkelknochens verschwindet, weil ihre Größe falsch gewählt wurde. Wenn der Operateur sich nicht sicher ist, wo er welchen Haken einsetzen muss, damit er beste Sicht aufs OP-Gebiet bekommt…
Beinahe bekommt man intraoperativ Mitleid mit dem Patienten und möchte selbst nicht in dessen Position sein. Auch, wenn danach das Ergebnis meist zufriedenstellend war. Aber ein Restrisiko, dass irgendetwas schief geht, bleibt.

In diesen Momenten wird einem klar, dass Routine  zwar langweilig sein kann, aber v.a. für den Patienten Sicherheit und ein gutes Outcome nach der Operation bedeutet. Dass Routine zu Perfektion führt.

Orthopaedix

Einblicke: Fadengewirr

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Das Wichtigste bei den Herzchirurgen und ihren Eingriffen: kein Chaos in den Fäden machen! Ein falscher Faden, ein nicht korrekt platzierter Knoten, ein schlechter Stich beim Nähen kann tödlich sein.

Ein Trick dagegen: unterschiedliche Farben für die verwendeten Fäden und abwechselnde Benutzung derselben bei z.B. der Einnaht einer neuen Herzklappe (siehe Foto).
Was man bei den Herzchirurgen ebenfalls lernen kann: Respekt vorm Arbeiten am schlagenden Herzen, perfekte Nahtkunst, Knoten (Knüpfen) und penible Ordnung auf dem OP-Tisch.

Orthopaedix