Arzt an Bord

Zu Risiken und Nebenwirkungen…..


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Im Dunkeln ist gut Munkeln – oder: Die Wunder der Technik

Alle sind bereit. Die Anästhesistin hat es sich auf ihrem Stuhl bequem gemacht, die OP-Schwester hat die Instrumente gerichtet, Oberarzt und Assistenzärztin sind steril, der Monitor für die Bauchspiegelung ist zurecht gerückt und die Patientin hat süße Träume. Wenn da nur nicht das Problem mit der OP-Türe wäre: Kaum schließt man sie, öffnet sie sich von alleine wieder. Die Technik ist informiert, doch da unser Saal leider keine Auskunft geben konnte, warum genau sich die Türe wieder öffnet, müssen wir vermutlich noch eine Weile auf Hilfe warten. Daher wird mit vereinten Kräften die Tür gebändigt und provisorisch von innen mit einem Rollbrett verkeilt. Die OP kann beginnen.

Nach zwei Stunden entscheidet die zweite OP-Tür, sich ihrer Partnerin anzuschließen, und öffnet sich wie von Geisterhand mehrmals hintereinander. Der Oberarzt beschließt diese Türrevolte geflissentlich zu ignorieren und siehe da, nach sechsmal Öffnen hat der Spuk von selbst ein Ende.

Die OP nimmt ihren Lauf, bis der Chirurg irgendwann in den Raum wirft „Wie viel Grad hat es hier eigentlich?“ Ein Blick auf das Thermometer bestätigt seine Befürchtung,  im OP-Saal hat es, aus welchem Grund auch immer, 6 Grad mehr als normalerweise. Ich freue mich, mir ist sowieso immer zu kalt im OP, wenn ich nicht steril am Tisch bin – aber die beiden Operateure müssen nun schwitzen.

Als ob das nicht genug technische Probleme für eine Operation wären, beginnt das Deckenlicht plötzlich zu flackern. Da der Operateur für die OP nur den Bildschirm benötigt ist der Plan simpel: Das Deckenlicht wird ausgeschaltet und die OP-Lampe soll dem Raum die nötige Helligkeit verleihen. Simpel, aber trotzdem nicht störungsfrei, denn auch die OP-Lampe funktioniert nicht. So wird, bis der Techniker kommt, in gemütlicher Dunkelheit weiteroperiert, während die Anästhesistin ihre Medikamente nun mit dem Licht ihres Handys aus den Schubladen suchen muss.

Unter diesen Umständen kann  man sich leicht einreden, dass draußen das Inferno tobt, Krieg, der Weltuntergang – während wir mutig hinter verrammelten Türen bei Hitze und in Dunkelheit um das Leben der Patientin kämpfen. Zwar ist draußen ein sonniger Tag und die Patientin erhält einen Magenbypass, also eine OP zur Gewichtsreduktion, aber man wird ja noch träumen dürfen.

Ann Arbor


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Visiten-Snake kommt

Lehrseminar. Eigentlich. Aber der Chef der HNO macht daraus eine Lehrvisite mit anschließender Fragerunde. An sich kein schlechter Gedanke. Erst Patienten sehen, danach Fragen klären. Also Lehrvisite.

Nur: 15 PJ’ler sind viele. Und die Visite ist die normale Chefarzt-Visite. Also kommen weitere drei Oberärzte und mind. fünf Assistenzärzte dazu. Macht einen Pulk an über 20 Personen – plus Pflegekraft und ggf. Physiotherapeut.

In langer Schlange – erinnert ihr euch an dieses NOKIA-Handy-Spiel „Snake“ von früher?“ – entern wir Patientenzimmer. Viel zu klein für uns alle. Vorne der behandelnde Assistenzarzt, danach der Chef. Dann das Fußvolk – die Oberärzte und anderen Assistenten lassen uns gerne den Vortritt. Sie sind auch nur pro forma da, weil es erwartet wird. Snake schlängelt sich ins Zimmer, quetscht sich an die Wand. Am Fußende des Bettes stehen Chef und AÄ. Nach dem Aufzug dann „Das ist Her Müller, ihm haben wir gestern die Mandeln herausgenommen“. Chef nickt: „Gut“. Ausmarsch. Erst Chef, dann AÄ, danach Snake. Ein- und Ausmarsch dauern länger als Visite. Manchmal ist man vorne in der Snake und damit unter den Ersten im Zimmer, manchmal ist man am Ende und dafür im nächsten Zimmer ganz vorne dabei. Snake – schlängel dich über den Gang.

Und Chef spricht maximal eine kurze Grußformel mit den Patienten. Lustig. Schlecht.

Ein paar Mal stehen ein paar PJ’ler noch auf dem Gang, da wird der Patient schon visitiert. Aus der Ferne hört man mit, sieht den Patienten gar nicht und betritt das Zimmer auch nicht. Ein paar Mal liegt kein Patient im Bett, visitiert wird trotzdem! „Hier läge Frau Meier, ihr haben wir….“. Makaber. Wenn wir jetzt schon Patienten visitieren, die nicht mal anwesend sind.

Und dann steht ein Patient plötzlich vorm Zimmer, als wir ihn „pseudovisitieren“. Macht aber nix, der Chef ist eh grade auf dem Weg nach draußen und meint auf die Frage „Suchen Sie mich?“ – „nein, keine Sorge, Sie haben wir soeben visitiert“. Zum Brüllen.

Nach 30 Minuten ist die Visite beendet. Alle Patienten, ob sie da waren oder nicht, wurden in 3 Sätzen zusammengefasst, „besprochen“ und der Chef hat noch nicht mal einem Patienten die Hand gegeben. So spart man Desinfektionsmittel. Und Zeit.

Und wir lernen, dass wir das so nicht machen wollen später. Lieber halte ich mich an den Chef der Herzchirurgie von damals, der einfach spontan auf Station erschien, mit der behandelnden Ärztin zu zweit durchging und mit den Patienten quatschte und sich die Wunden ansah. Da fühlt man sich als Patient doch auch besser, oder?

Die Fragerunde danach war kurz, der Chef gab sich Mühe die Fragen zu beantworten – und nach 30 weiteren Minuten war das Seminar zu Ende. Kurzweilig, unterhaltsam, zum Lachen. Lehre.

– Orthopaedix