7.45 Uhr Frühbesprechung. Alle chirurgischen Patienten der Intensivstationen werden besprochen. Da ich besagte Patienten noch nie gesehen habe, ist es leider eher weniger spannend, ob deren Hämoglobinwert gerade um 1 gefallen oder gestiegen ist. Aber es gibt Kaffee!
8.15 Uhr Die Frühbesprechung ist vorbei, vor 9 Uhr werden die OPs nicht starten – zumindest in der Regel. Da man das aber nie genau wissen kann und uns auch niemand Bescheid sagt, gehen wir direkt in den OP und stehen ein bisschen sinnlos in der Gegend herum. Lieve (die belgische PJlerin) und ich teilen uns die beiden OP-Säle auf (heute gibt es zum Glück zwei Säle), um unsere Chancen im Kampf mit den insgesamt fünf Assistenzärzten um die OP-Assistenz zumindest etwas zu erhöhen. In der Regel ziehen wir jedoch den Kürzeren.
9.00 Uhr Die Leberresektion in meinem Saal beginnt. Natürlich bin ich wieder nicht steril am Tisch. Auch auf dem Bildschirm ist heute nichts zu erkennen, da das OP-Feld durch den Kopf des Operateurs verdeckt ist. Sehr schön. Lieve hat ein kleines Erfolgserlebnis und darf im anderen Saal bei der Leistenbruch-OP assistieren. Leistenbruch-OPs sind zwar gänzlich unspektakulär und nähen dürfen wir nicht, aber immerhin ist sie steril. Ein kleiner Sieg für das PJler-Team.
11.30 Uhr Lieve hat sich zu mir gesellt und wir stehen nun beide sinnlos im OP herum und sehen nichts als die Rücken der Operateure. Der Lerneffekt hierbei ist unglaublich. Trotzdem wird von uns erwartet, dass wir anwesend sind.
13.30 Uhr Nach dem Mittagessen gehen wir wieder in den OP, vielleicht haben sie es nach einer Stunde tatsächlich geschafft, den nächsten Patienten OP-bereit zu haben. Neues Spiel, neues Glück. Manchmal dürfen wir immerhin steril sein, bis der Chefarzt an den Tisch kommt. Diesmal aber nicht. Ein 61-jähriger Patient ist von einem Baum gefallen – stumpfes Lebertrauma. Das könnte ja ausnahmsweise sogar spannend und lehrreich werden, selbst wenn wir alles nur auf dem Bildschirm verfolgen können. Aber der Anästhesist und unsere Oberärztin werfen uns unfreundlich aus dem Raum, in dem angeblich zu viele Leute wären (nicht mehr als sonst auch, aber gut). Der Anästhesie-PJler freut sich und geht nach Hause, doch wir müssen heute Abend unserem Chefarzt noch Patienten vorstellen, geplant ist 17 Uhr.
17.00 Uhr Nach endlosem Herumsitzen ist es fünf. Aber weder Chef- noch Oberärzte tauchen auf, also warten wir weiter.
18.00 Uhr Der Chefarzt kommt vorbei mit der Ansage „in 10 Minuten geht es los“. Wir machen uns mit dem Assistenzarzt auf den Weg, damit alles bereit ist, wenn der Chef kommt.
18.45 Uhr Endlich. Das Warten hat mal wieder ein Ende. Zunächst werden die Patienten der Station besprochen. Da wir immer schön brav im OP bleiben sollen, weiß ich noch nicht einmal, wo überhaupt unsere Station ist. Danach stellen wir dem Chefarzt die Patienten für die OPs der nächsten Woche vor. Krankheitsgeschichte, Bildgebung, geplante OP. Auch diese Patienten haben wir noch nie gesehen, Anamnese und Untersuchungsbefunde müssen wir uns aus alten Arztbriefen zusammensuchen.
19.45 Uhr Feierabend. Ich frage mich, was ich heute in diesen 12 Stunden eigentlich gelernt habe. Vielleicht Frustrationstoleranz.
Nachts träume ich vom Haken-/Klappe-halten-Prinzip in Deutschland und von (manchmal) schlechten Lehrveranstaltungen – immerhin würde man hierbei irgendetwas sehen und lernen…Aber das Gras ist auf der anderen Seite bekanntlich immer grüner…
Ann Arbor