Die typischen Patienten in der Hepatologie sind Alkoholiker mit Leberzirrhose und Drogenabhängige, die sich mit einem (oder mehreren) der Hepatitis-Viren angesteckt haben. Das macht die Arbeit nicht immer unbedingt einfacher.
John Smith fällt gleich in beide Schubladen. In seiner Jugend hat er sich Heroin gespritzt und sich durch Needlesharing (mehrere Personen benutzen dieselbe Nadel) mit dem Hepatitis C Virus angesteckt. Auch Alkohol hat er jahrelang in sehr großen Mengen konsumiert, was dem Zustand seiner Leber zusätzlich geschadet hat. Damals war ihm das egal, er war die meiste Zeit high oder betrunken, eigentlich war ihm damals alles egal.
Heute sitzt ein gepflegter Mann im mittleren Alter vor mir. Ich bin ehrlich überrascht, wie ein (ehemaliger) Drogenjunkie kommt er mir nicht vor und davon habe ich hier bei weitem zur Genüge gesehen. Er hat einen festen Job und hat dem Alkohol sowie den harten Drogen den Rücken zugekehrt. Da er auf die Standard-Therapie nicht angesprochen hatte, will er sich heute über Alternativen informieren. Gibt es vielleicht Studien mit neuen Medikamenten, an denen er teilnehmen könnte? Da gebe es doch etwas Neues in den USA? Er ist topinformiert, weiß genaustens über alles Bescheid. Während der Oberarzt nach weiteren Möglichkeiten sucht, erzählt er mir Stolz, dass er jetzt regelmäßig Kaffee trinken würde. Ob wir die Studie dazu kennen würden? Natürlich kennen wir die Studie, es ist eine der Lieblingsstudien aller Hepatologen, die besagt, dass bei einem Kaffeekonsum von mindestens vier Tassen am Tag das Ansprechen auf die Hepatitis-C-Therapie deutlich verbessert wird. Genial.
Leider können wir ihm keine aktuelle Medikamentenstudie anbieten, deren Anforderungsprofil er erfüllt. „Naja, vielleicht im nächsten Jahr, es soll sich ja viel tun in der nächsten Zeit“, sagt er und verabschiedet sich. Er müsse nun zügig weiter, denn zu seinem Treffen der Anonymen Alkoholiker um 14 Uhr wolle er nicht zu spät kommen.
John Smith fasziniert mich. Er war ganz unten und hat trotzdem wieder in ein normales Leben zurück gefunden. Seine Geschichte macht mir Hoffnung, da sie zeigt, dass sich Menschen ändern können. Bei meinen nächsten Patienten mit Alkohol-/Drogenproblem werde ich nun voller Überzeugung sagen können „Ich kenne jemand, der es geschafft hat – und wenn er es kann, dann können Sie das auch!“ Und vielleicht kann der ein oder andere dann wieder hoffen. Das wäre schön.
Ann Arbor