Eddie hat uns neulich folgende Frage gestellt:
Für eure Fragen-Serie hätte ich da noch einen Themenvorschlag: Arztserien. Nachdem ich beim Zappen neulich festgestellt habe, dass man noch nicht mal mehr auf zdf neo vor Arztserien sicher ist, wollte ich mal wissen, was ihr so über die ganzen Formate denkt ?
Als Polizeibeamter mit einer “Tatort”-süchtigen Freundin habe ich nämlich das Problem, dass das sonntägliche Fernsehprogramm oft feststeht, ich aber dann nur schwer ruhig auf dem Sofa sitzen bleiben kann, wenn der Drehbuchautor uns mal wieder eine total unsinnige Handlung oder Vorgehensweise angedichtet hat. Ob nun das SEK angerückt ist und trotzdem die Kommissarin mit Pumps die Türe eintritt oder eine Vernehmung alle rechtlichen Anforderungen verfehlt – es ist meistens ein Trauerspiel. Geht Euch das bei Arztserien genauso ?
Und hier meine persönliche Meinung dazu:
Es gibt zwei Typen von Medizinstudenten: die einen hassen Arztserien, die anderen lieben sie. Ein Mittelding existiert nicht. Ich zähle definitiv zur zweiten Gruppe. Egal ob Grey’s Anatomy, Private Practice, House oder Scrubs – ich habe sie alle gesehen. Insgeheim träume ich ja davon, irgendwann in einem Vorstellungsgespräch auf die Frage „Warum sind sie Arzt geworden?“ ganz lässig zu antworten „ Ja, wissen Sie, ich habe in der Schule immer so gerne Scrubs geschaut.“
Heute schaue ich Arztserien natürlich nicht mehr so unvoreingenommen wie früher. Man kann den Mediziner in sich nach Feierabend eben doch nicht ganz ausschalten. An der Spitze der Fehler stehen natürlich die fragwürdigen Reanimationstechniken, die sich hartnäckig durch jede erdenkliche Serie hindurchziehen. Der Universaleinsatz von Defibrillatoren löst bei mir dann doch immer wieder Entsetzen aus und fuchtelt der Arzt vorher noch enthusiastisch mit den Paddles in der Luft herum, bekomme ich schon fast in meinem sicheren Wohnzimmer Panik, dass er mich damit treffen und mir statt dem Patienten den Elektroschock versetzen könnte. Bei kleineren Fehlern in der Diagnostik oder Therapie, plötzlichen Wunderheilungen oder wenn J.D. in der Scrubs-Intro das Röntgenbild falsch herum aufhängt, heißt es tief durchatmen und möglichst entspannt weiterschauen.
Mich persönlich irritiert es aber immer wieder, dass es kaum eine (Arzt-)Serie ohne Morbus Huntington gibt. Das scheint die Lieblingserkrankung aller Drehbuchautoren, Regisseure oder Produzenten zu sein und es treibt mich immer fast in den Wahnsinn, wenn wieder einmal diese Diagnose gestellt wird.
Insgesamt betrachtet sind die klinischen Fälle in Arztserien jedoch erstaunlich gut recherchiert und häufig sind Ärzte als Berater angestellt. Grobe Fehler sind daher bei Weitem seltener, als man sich das vorstellt. Zudem ist das Primärziel der Serien ja auch die allwöchentliche Unterhaltung und nicht die wissenschaftliche Fortbildung (angehender) Mediziner. Wenn ich Dr. House schaue, vergesse ich das jedoch hin und wieder, diagnostiziere eifrig mit und lese manche der Diagnosen später noch genauer nach. Und Lupus als Differentialdiagnose hat schon manch einen durch Chefarztvisiten oder mündliche Prüfungen gebracht.
J.D. sagt in Scrubs einmal über die Serie Grey’s Anatomy „“Ja…das ist fast so, also ob sie uns zuschauen würden und dass dann Abends im Fernsehen kommt““. Und genau das ist der Grund, warum ich Scrubs immer wieder so gerne schaue. Ich kann mich mit den Charakteren der Serie identifizieren und fühle mich irgendwie verstanden. Eben als hätte jemand mein Leben in eine Comedy-Serie umgewandelt. Viele der dargestellten Situationen hat man auf die ein oder andere Weise im Klinikalltag selbst erlebt: das Gefühl der absoluten Hilflosigkeit und Ahnungslosigkeit, der Versuch den Oberarzt/Chefarzt zu beeindrucken, der Tod eines liebgewonnenen Patienten, die richtig gestellte Diagnose einer extrem seltenen Erkrankung (vielleicht, weil man am Abend vorher Dr. House geschaut hat) und auch das falsch gehaltene Röntgenbild. Und manchmal tut es wirklich gut, das Ganze mit etwas Humor zu sehen.
Natürlich ist vieles in Arztserien überzogen und teilweise auch falsch dargestellt. Aber ist das nicht in allen Serien so? Nicht alle Physiker sind so lebensunfähig wie Sheldon Cooper, niemand würde die Geschichte, wie er die Mutter seiner Kinder kennen gelernt hat, Jahre vor dem ersten Date beginnen und niemand hat unbegrenzt Zeit jeden Tag auf dem gleichen Sofa im gleichen Café zu sitzen und riesige Mengen Kaffee zu trinken. Aber so sind Serien nun einmal und wenn wir ehrlich sind, schauen wir sie doch gerade deswegen so gerne
Über weitere Fragen von euch freuen wir uns natürlich immer sehr!
Ann Arbor
12. November 2012 um 18:11
also ich hasse scrubs 😉 …und nichts geht über ER (zumindest die ersten staffeln..) (soviel dazu ^^)
12. November 2012 um 18:26
Ich muss gestehen, ER ist die einzige Arztserie, die ich noch nicht gesehen habe 😀
15. November 2012 um 13:11
waaaaas?? ER ist pflicht. LOS anschauen! (die ersten staffeln..) sehr gut recherchiert, im gegensatz zu greys anatomy nicht ganz so ..ich nenns mal schwülstig.. 😉 wenig fehler, biel focus auf die ärzte und deren „konflikte“. UND: super unterhaltung 🙂
was house betrifft, waren die ersten staffeln ganz gut, später ist es nur beziehungsscheiß…
15. November 2012 um 17:38
Ich habe mir jetzt die erste Staffel ausgeliehen! 🙂
15. November 2012 um 18:49
sehr gut! mal sehen, ob du ein ross oder greene-typ bist? bin gespannt auf deine meinung 🙂
9. Dezember 2012 um 15:38
Greene!
9. Dezember 2012 um 16:56
gutes mädchen!!!!! 😉
12. November 2012 um 18:58
ich bin eher so der Dr. House-Typ und mochte die ersten vier Staffeln sehr. Aktuell schaue ich Staffel 5 und bin nach den ersten Folgen noch skeptisch – weil zu viele Beziehungsprobleme behandelt werden und weniger Medizin. Und vielleicht auch, weil man mit anderen Augen schaut und mehr Fehler findet als früher 🙂
12. November 2012 um 19:04
Ich bin angehende Radiologietechnologin, und muss sagen, seit ich (ein wenig) Hintergrundwissen im Gesundheitswesen habe, machen mir Arztserien noch ein kleines bisschen mehr Spaß (nach dem Motto „finde möglichst viele Fehler“). Am interessantesten finde ich es jedoch noch immer, als in Dr. House ein Patient im MR lag, ohne Spule, ohne Klopfgeräusche und obendrauf plauderte er beim Schädel-CT noch mit den Ärzten 😉
12. November 2012 um 19:15
eine ähnliche Szene kam in der letzten Folge Dr. House vor, die ich gesehen habe. Und dann erfolgte die Befundung anhand EINES ausgedruckten Schädelbildes. Ohne Durchscrollen, ohne Aufnahmeserie :p #fail
12. November 2012 um 21:00
was mir als erstie immer auffaellt: bei grey’s anatomy ist im op jedes zweite wort „anastomose“ 😀 ich weiss zwar nicht, wie oft das in der realitaet (im op) benutzt wird, aber naja 😀
14. November 2012 um 19:26
Gimme 5! Ich habe ja Medizin wegen E.R. studiert 😉 . Scrubs ist das Beste, was es generell als Fernsehserie gibt. Wenn es die Klinik real gäbe, würd ich da schon längst arbeiten. Zu Arztserien generell: US-Serien sind meist sehr gut recherchiert und selten falsch. Das Problem ist öfters die Synchronisation à la Annas Tomose o.ä. Ausserdem herrscht auch in amerikanischen Notaufnahmen mal Ebbe, statt alle 5 Minuten Katastrophenalarm. Hanebüchen sind zum Teil deutsche Arztserien. Da fahren die munter 20 Minuten ein CT, weil sie`s mit dem MRT verwechseln, sind meist Universalärzte, die alles operieren und behandeln und die Hygienevorschriften im OP…OMG.
Toller Blog! Grüße, @Crooklyn
15. November 2012 um 13:12
deutsche arztserien kann man nicht schauen. jedenfalls nicht ohne kotztüte.
15. November 2012 um 17:40
Ach Dr. Stefan Frank und Schwester Stephanie waren doch toll 😉
15. November 2012 um 18:48
O_O hilfä!
14. November 2012 um 22:10
Zum Thema Chorea Huntington: Ich denke, das ist in den Köpfen noch vom Biologie-Untericht drin und ja wirklich eine gruselige Krankheit. Allerdings mit dem Vorteil gegenüber Parkinson und Alzheimer, dass man die Krankheit so hinschieben kann, wie es passt: nen 22-jähriger, der Parkinson oder Alzheimer bekommt ist um nen ganzen Zacken seltener, als einer, der Morbus Huntington hat bzw diagnostiziert bekommt.
15. November 2012 um 14:19
Ich finde das darf man alles nicht so eng sehen, wenn man solche Serien schaut. Ich hasse es jedenfalls schlaue Mediziner neben mir sitzen zu haben (ich bin wohlbemerkt selbst einer), die dann ständig kommentieren müssen wie absurd oder falsch dies und das ist. Es sind nunmal Serien, hier gehts um den Funfactor… das sollte man nicht vergessen, gell mein lieber Orthopaedix 😛
15. November 2012 um 15:59
Willkommen im Blog!
Inzwischen bin ich „stiller Genießer“ und schüttle nur ab und zu meinen Kopf oder lache kurz, wenn es wirklich absurd ist. Es ist einfach ab und an „gefährlich“, wenn die Serien Medizin zeigen, die so nie stattfinden kann und nachher Patienten im Krankenhaus auf solche Ideen verweisen und total falsche Vorstellungen entwickeln, wie es im Krankenhaus abgeht, was heutzutage möglich ist und wie die Abläufe in der Medizin sind.
15. November 2012 um 17:13
Ach, als ob sich da einer merkt was für ne Diagnostik oder Therapie macht, je nach Erkrankung/Symptomen..
15. November 2012 um 18:08
nein, aber z.B. bei Reanimationen ständiges Defibrillieren etc….
16. November 2012 um 20:47
Ich sehe schon, ich habe hier einiges Verpasst. Vielen Dank für die lange Antwort auf meine Frage an Ann Arbor und Danke allen, die hier noch in den Kommentaren nachgelegt haben. Dann habe ich jetzt einen guten Vorsatz fürs nächste Jahr: auch zum „stillen Genießer“ von Fernsehkrimis zu werden 😉
23. November 2012 um 12:01
Ich wundere mich immer über die hohe Anzahl von Sturzgeburten in allen möglichen Serien – eigentlich gibt es doch genug Frauen, die genau wissen, wie unspektakulär eine Geburt beginnt! Wahrscheinlich sind die Drehbuchautoren Männer….
23. November 2012 um 14:22
Sag sowas nicht 😀 Wir hatten vor einigen Wochen eine Frau im Kreissaal, die der Ehemann zuvor eigenhändig auf Toilette zuhause entbunden hat, weil plötzlich das Kind kam 😀 Da war mal kurz ein bisschen Aufregung im Team.
Aber nein, du hast schon Recht, die Regel ist das wirklich nicht. Es braucht halt nicht so viel Sendezeit, wie eine Frau, die nach 4 Stunden immer noch in den Eröffnungswehen steckt 😉
23. November 2012 um 15:37
Als Nichtmedizinerin kann ich sagen: Das Wenige, was ich an Krankenhaus-/ Arztserien sehe schaue ich mir schon auch mit Blick auf die Erkrankungen und Therapievorschläge an. Ich finde das einfach interessant und google manchmal noch extra nach. Mit viel Ernüchterung teilweise. Und ich nehme nicht an, dass ich damit alleine bin.
Mir wäre es grundsätzlich lieber, wenn solche Serien immer vernünftig recherchiert würden und der Laie als Zuschauer nicht mit den krudesten Dingen stehen gelassen würde. Am schlimmsten sind da wirklich noch die Reanimationen und da vor allem der inflationäre Einsatz von Defibrillatoren zu jeder Gelegenheit.
Es ist das Gleiche wie mit den Richter-Serien, die zeigen ebenfalls alles, nur nicht die Realität in deutschen Gerichtsälen.