Inspiriert durch die Nachfrage von Simon hier möchten wir gerne den Mythos OP entzaubern und eure Fragen rund um den OP, die Abläufe, Dinge, die ihr immer gerne mal gewusst hättet uvm so gut wie wir können beantworten. Die erste Frage von Simon hatte ich schon in den Kommentaren beantwortet, der Vollständigkeit halber will ich sie aber auch in diesem Beitrag nochmals erwähnen:
Frage: Wie sieht das eigentlich (gerade bei größeren Eingriffen) mit Pipipausen (:P) für die OP-Beteiligten aus? Gibts solche oder ist Zurückhalten angesagt? Oder zieht man auch mal Windeln an?
Antwort: Im Notfall geht das natürlich schon, dass man abtritt, wenn es nicht anders geht. Prinzipiell ist aber bei OPs von einigen Stunden Dauer keine Pipipause geplant. Vorm sterilen Waschen und beim Umziehen kann man nochmal auf Toilette gehen und dann 5h aushalten, bis man wieder gehen kann. Es wäre ein zu großer Aufwand sich unsteril zu machen, dann wieder neu steril einzuwaschen, neue Handschuhe und Kleidung anzulegen und an den Tisch zu treten. Außerdem ist man irgendwie unter Adrenalin und da muss man dann eh nicht wirklich auf Toilette (ein Marathonläufer muss ja auch nicht plötzlich unterwegs mal eben anhalten ).
Bei langen OPs gibt es durchaus je nach Operateur die Möglichkeit, dass man nach einiger Zeit mal eine Pause einlegt, sich unsteril macht und was isst und trinkt, so wie wir das auch gemacht haben. Die Anästhesie und OP-Schwester wird für ihre Schicht sowieso ausgetauscht, für sie gibts das Problem also weniger. Von Windeln hab ich persönlich noch nie gehört, Katheter in die Blase ist eher ein running-gag, der gerne zwischen Chirurgen gebraucht wird, aber erlebt habe ich das auch noch nie…. Bei mir persönlich war aber Pipi bisher das kleinste Problem, eher bekomme ich irgendwann Hunger und Durst und nach einiger Zeit dann entsprechend schlechte Laune, Kopfweh, Müdigkeit….
Frage von @Loeffle: Freut sich eine Intensivstation wirklich über mitgebrachten Kuchen von Angehörigen oder wandert der direkt in den Müll?
Antwort: Auf allen Stationen, auf denen ich bisher gearbeitet habe, hat sich sowohl die Pflege als auch die Ärzteschaft sehr über mitgebrachte Süßigkeiten, Leckereien und Kuchen gefreut. Ich habe es nie erlebt, dass ein Kuchen nicht innerhalb weniger Stunden weggeputzt war – jeder, der am Stationszimmer vorbeikommt, nimmt sich ein Stück und schwups ist das Gebackene verputzt worden. Wer seiner Pflege oder den behandelnden Ärzten also was Gutes tun will, darf gerne kleine Süßigkeiten oder einen Kuchen als Dankeschön am Ende abgeben. 🙂
Frage von @pescum: Hört man oft im OP Musik? Und gibt’s Untersuchungen, ob die Qualität besser/schlechter ist als ohne?
Antwort: Ich habe einig wenige OPs erlebt, in denen Musik gehört wurde. In der Allgemeinchirurgie beim Chef (es lief ein ewig langes Requiem von Mozart, wie passend!), in der Orthopädie, in der Gefäßchirurgie und in der Plastischen Chirurgie. Es hängt nur vom Operateur ab, ob er Musik laufen lassen will, ob er ein Typ ist, der die Musik zur Entspannung nimmt oder ob er sich in Ruhe konzentrieren muss. Für die Assistenten (finde ich) ist im Hintergrund mitlaufende Musik was Tolles, weil man bei stundenlangem Hakenhalten wenigstens etwas Abwechslung fürs Ohr hat. Studien, die einen Nach- oder Vorteil belegen, sind mir persönlich keine bekannt, ich verweise da auf Eigeninitiative (grad von dir, Herr Doktor :p) und auf die einschlägigen Datenbanken wie PubMed und Ovid.
Frage von @Tobyy95: Werden OPs speziell vergütet? Wie viele sind mind an einer OP beteiligt?
Antwort: OPs werden nach einem gesonderten Katalog vergütet und nach sogenannten Schlüsseln codiert (Operationen und Prozeduren-Schlüssel, OPS). Die aktuellen Schlüssel findet man online z.B. unter DIMDI – OPS Version 2013. Anhand der Codierung des Eingriffs gibt es dann Geld – deswegen sind viele Kliniken dahinter, dass genügend operiert wird und dass auch alle Einzelschritte einer OP sinnvoll verschlüsselt werden (z.B. das Einlegen eines Urinkatheters im OP als gesonderten Code zu verschlüsseln, weil es dann extra Geld gibt). Die gesamte Verschlüsselung ist aber eine Welt für sich und wird zunehmend von extra dafür ausgebildeten Fachkräften (Medizincontrolling) übernomen, weil sonst niemand mehr durchblickt. Bei Privatpatienten gibt es diese Schlüssel gleich mit einer Kostenauflistung, sodass man direkt nachschauen kann, was z.B. eine Kniespiegelung als Rechnung nachher gibt.
An einer OP sind zwingend beteiligt: ein Operateur, eine sterile Instrumentenschwester, ein Anästhesist, ein Anästhesiepfleger, eine unsterile Anreich-Pflegekraft und meistens noch ein Lagerungspfleger, der den Patienten and er Schleuse in Empfang nimmt, auf dem OP-Tisch gepolstert gegen Lagerungsschäden lagert und am Ende wieder an der Schleuse abgibt. Zum Operateur treten, je nach Aufwand und Größe der OP, ein bis zwei Assistenten hinzu (in Ausnahmefällen auch mal 3 Assistenten, aber da wird der Platz schon recht eng), bei größeren Operationen kann es auch mal zwei Teams von 2-3 Operateuren geben, die gleichzeitig am Körper des Patienten an unterschiedlichen Stellen arbeiten.
Frage von @anne_julie: Wetten die Anästhesisten wirklich drauf, bis wohin ein Patient runter zählen kann, bevor er weg ist ?
Antwort: Ich selbst habe nur zwei Tage in der Anästhesie verbracht und dort mitgearbeitet, bei den Einleitungen (also Narkose, Zugänge legen etc) sind die Operateure und Assistenten für gewöhnlich nicht dabei (nicht mal im OP-Saal, weil man erst am Ende der anästhesiologischen Einleitung gerufen wird). In meinen zwei Tagen habe ich keine Wetten mitbekommen, aber ich würde fast darauf wetten, dass es den ein oder anderen Anästhesisten gibt, der solch Wetten schon abgeschlossen hat. Solange sie nicht zum Nachteil des Patienten sind, hat jede Fachrichtung so ihre eigenen „Späßchen“, die den Arbeitsalltag aufheitern sollen (und vllt auch Möglichkeit des Kompensierens von schweren Schicksalen darstellen). Aber was man so mitbekommt, schafft es kein Patient von 10 bis 0 zu zählen, ab 5 sind die meisten weit weg im Traumland 🙂 Also keine Angst haben!
Das waren die ersten 5 Fragen – gerne nehmen wir weitere Fragen entgegen und beantworten Sie in einem neuen Artikel! Stellt sie uns, per Twitter, per Kontaktformular oder hier in den Kommentaren!
– Orthopaedix