Patientin, 52 Jahre kommt in der Nacht mit dem Rettungsdienst in die Notaufnahme, nachdem sie bei Fitnessübungen auf deinem Wackelbrett das Gleichgewicht verloren hatte und auf die rechte Hüfte gefallen war.
Der Notfall ist nachts von den Kollegen der Medizin besetzt; bei Fragen gibt es einen Oberarzt der Chirurgie/Traumatologie/Orthopädie im Hintergrund, der hinzugezogen werden kann.
Die Patientin kann nur schwer untersucht werden aufgrund der starken Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte, sodass zunächst ein Röngenbild angefertigt wird um einen möglicherweise zugrundeliegenden Bruch des Schenkelhalses oder des Beckens auszuschliessen.
Hier das erste aufgenommene Bild (ein sogenanntes ap-Röntgen, d.h. von vorne auf das Becken geblickt):
Eure Meinung ist gefragt!
Erst nach dem Abstimmen weiterlesen! 🙂
Die Patientin wird dem diensthabenden Oberarzt telefonisch vorgestellt und er hat Zugriff auf das oben gezeigte Röntgenbild. Gemeinsam entschieden wird eine stationäre Aufnahme auf die Station zur Schmerzeinstellung und Mobilisation bei Verdacht auf eine Hüftprellung rechts. Der Radiologe und dessen Hintergrund schicken derweil ihr Statement zum Röntgen und schreiben:
„Normaler knöcherner Befund ohne Hinweis auf Traumafolge, „
Am Morgen klagt die Patientin weiterhin über stärkste Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte und kann das Bein trotz Gabe von einer grossen Menge an Morphin nicht bewegen. Durch die Pflege wird der diensthabende Assistenzarzt informiert. Dieser findet die Patientin schmerzgeplagt im Bett liegend vor – mit einem Bein, das in etwa so im Bett liegt:
Nach Rücksprache mit dem bereits in der Nacht informierten Oberarzt erscheint dieser auf Station und möchte sich ein Bild der Lage machen – doch auch er scheitert an jeglichem Versuch das Bein zu untersuchen. Beinahe wird der Patientin unterstellt sie übertreibe und simuliere nur und eine Prellung könne doch nicht so schmerzhaft sein.
Der Entschluss zur Durchführung einer Computertomographie des Beckens wird getroffen, um eine genaue und detaillierte Bildgebung mit der Frage auf möglicherweise bisher übersehene Brüche zu erhalten. Bevor das CT jedoch läuft, wird nochmals das als normal befundete Röntgen der Nacht angeklickt und angesehen. Die eiserne Regel für Röntgenbilder lautet dabei, dass immer zwei Ebenen „fotografiert“ werden – also einmal von vorne und einmal von der Seite. Warum? Das sehen wir gleich:
Das ist die seitliche Aufnahme der Hüfte. Mit einem kurzen „ähm, lieber Oberarzt, könnte es sein, dass…“ wird die richtige Diagnose gestellt. Diese lautet…?
Auch hier erst wieder abstimmen, dann weiterlesen!
Wenn man sich die zweite Ebene des Röntgens (also die seitliche Ansicht) genau ansieht, fällt auf, dass die Gelenkspfanne (rot) sehr schön und eindeutig zu sehen ist. Hier sollte eigentlich der Hüftkopf (grün) sitzen, der mit der Pfanne gemeinsam das Hüftgelenk bildet.
Damit ist die richtige Diagnose: hintere Hüftgelenksausrenkung/kugelung (Hüftgelenksluxation).
Erstaunlich, wie das Bild von vorne keine grossen Hinweise auf diese Pathologie bringt – und umso mehr zu betonen, dass auch das Betrachten der zweiten Aufnahme/Ebene sehr sehr wichtig ist um nichts zu verpassen.
Die Patientin ging danach direkt in den Operationssaal (ohne Computertomographie) und in Narkose wurde durch Zug am Bein die Hüfte wieder eingerenkt. Im anschliessenden CT zeigten sich nur kleinere knöcherne Absprengungen am hinteren Pfannenrand (da, wo der Hüftkopf rausgerutscht war), die ohne Operation verheilen werden.
Fazit:
1. Beim Röntgen immer zwei Ebenen anfertigen.
2. Beide Ebenen dem Oberarzt zur Ansicht schicken, wenn man sich selbst unsicher ist.
3. Traue nie einem Radiolügenlogen. 😉
– Orthopaedix