Arzt an Bord

Zu Risiken und Nebenwirkungen…..


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was ewig dauert…

… wird nicht immer mit Erfolg gekrönt. Aber der Reihe nach.

(c) lifeline.de

Eigentlich ist Feiertag. Wochenendbesetzung, nur ein Dienstarzt für alle chirurgischen Stationen, ein Oberarzt und gut ist. Die andern Ärzte haben frei, der Chef operiert mit einem dazu verdonnerten Oberarzt und einem externen Professor eine große Bauch-OP in einem der beiden Notfall-OPs. Die anderen sind wegen Feiertag nicht für Operationen freigegeben. Am Vorabend beim Abschlussrapport des Tages meldet der leitende Oberarzt und Gefäßchirurg plötzlich einen Bypass für den Feiertag an. Erstaunen allerseits, kritische Einwürfe, Nachfrage ob er denn wisse, dass Feiertag sei? Ja klar, er habe aber Hintergrunddienst und dann könne er in der Zeit ja in aller Ruhe operieren…. und dafür den zweiten Notfall-Saal benutzen, weil er bis zum geplanten Schnitt um 11 Uhr im Saal des Chefs nicht fertig werden könnte. Für die OP beim Chef wird eine Assistenz gesucht, der Blockstudent meldet sich freiwillig, er will diesen Eingriff gerne mal sehen. Und wenn er erst um 11 Uhr im OP sein soll, kann er morgens ja trotzdem noch ausschlafen.

Für den Bypass braucht es aber auch eine zweite Assistenz – und das Los fällt auf mich. Natürlich kann ich den Einsatz auch an die Kollegin abgeben, die sich sichtlich darum reißt, aber mit dem geplanten Team weiß ich, dass Spaß vorprogrammiert sein wird und wenn der Bypass wie die bisherigen verlaufen, die ich gesehen habe, dann wird die OP ca 2,5 – maximal 3 Stunden dauern und ich kann trotzdem noch am Mittag/Nachmittag den geplanten Ausflug nach Bern unternehmen. Was solls also, zeige ich mal Einsatz und sage zu.

Um 7.45Uhr stehe ich im OP, um kurz vor 8 Uhr darf ich den Blasenkatheter legen. Dann geht’s ans sterile Einwaschen und um kurz nach 8 Uhr ist Schnitt. Im Spital ist wenig los, der Feiertag gilt wohl für fast alle Abteilungen – Feiertagsatmosphäre hat was.

Beim Beginn der OP erfahren der 1. Assistent (der nette Oberarzt) und ich, dass der Patient mehrfach voroperiert wurde, bereits einen Bypass im Bein hat und wohl eine Herausforderung darstellen wird. Der Zeh ist bereits schwarz und stinkt faulig, die Ferse hat eine offene Stelle – die Situation sieht nicht gut aus, zeigt aber umso mehr die dringende Indikation für diesen Bypass. Wir machen uns ans Werk.

In der Leiste, bei der Anstatzstelle des alten und inzwischen zuthrombosierten Bypasses findet sich ein großes Aneurysma (eine Gefäßaussackung). am Oberschenkel schneiden wir innen auf ca 10cm Länge auf, dann auf Höhe des Knies innenseitig, schließlich noch am Unterschenkel ca 10cm oberhalb des Innenknöchels. Das soll der Verlauf des neuen Bypasses werden. Nach der Vorbereitung gilt es nun eine Vene zu entnehmen, die wir als natürlichen Bypass nutzen wollen – Venen haben bessere Ergebnisse auf Dauer als künstliche Rohrprothesen, wenn der Bypass bis unterhalb des Knies reicht. Wir müssen, aufgrund der Voroperation auf eine relativ kleine Vene am gleichen Bein zurückgreifen und präparieren diese von der Oberschenkelhinterseite über das Knie bis nach unten an den Außenknöchel frei – es sieht aus wie ein Amoklauf über das Bein: 2cm Schnitt, dann in die Weichteile und die Vene suchen und präparieren, dann 1cm Abstand und wieder 2cm Schnitt, in die Tiefe….. so verfolgen und mobilisieren wir die Vena saphena parva. Als wir sie dann absetzen und herauslösen, merken wir, dass die Operateure zeitweise einen falschen Ast freigelegt haben, also präparieren wir den auch gleich noch mit, Venenmaterial brauchen wir sowieso, denn von der Länge her wird die angepeilte Vene nicht genau reichen – der Patient ist groß und die Distanz lang.

Deswegen präparieren wir noch einen weiteren Venenast frei, der von Knie-Innenseite über das Schienenbein reicht – gleiches Vorgehen: Schnitt 2cm, dann 1cm Hautbrücke, dann wieder 2m Schnitt. Als die Venen frei sind, spülen wir sie mit Heprain, verschließen mit ultrafeinen Nadeln und Fäden (die dünner sind als menschliches Haar) kleine Lücken und sind für den Anschluss und Bypass bereit.

Die Zeit ist inzwischen deutlich vorangerückt, die Anästhesie hat ihre Pflegekraft ausgetauscht und auch die unsterile OP-Schwester hat gewechselt. Wir drei stehen immer noch am Tisch bzw. haben inzwischen teilweise Hocker bekommen. Nun schließt der Gefäßchirurg am Aneurysma, das er vorher ein wenig optimiert und verkleinert hat, eine kurze Plastikröhre an, an die er dann das lange Venenstück näht. Durch den Schnitt am Oberschenkel kann diese Kombi dann nach unten gezogen werden. Immer wieder spritzt das Blut, das ist der Charakter der Gefäßchirurgie: es fließt, spritzt und tropft. Manch Chirurg aus anderen Fachrichtungen würde da schon von einer Massenblutung sprechen – aber kein Wunder, wenn man ein Rohr direkt an die Gefäße näht, die direkt Blut vom Herz mit vollem Blutdruck und Puls erhalten.

Während die Kollegen die Venen miteinander verbinden, nähe ich die Schnitte über dem Schienbein zu, man kann Zeit einsparen, wenn man parallel an mehreren Orten arbeitet. Relativ schnell bin ich da wieder arbeitslos, das Nähen lief optimal und zügig – manchmal hat man einfach so Tage.

Fogarty-Katheter, (c) edwards.com

Nachdem dieser Teil geschafft ist, wird das Venenstück mit dem kleineren Venenstück vernäht – wieder mit Nadeln, die in etwa die Größe eines Stecknadelkopfes  haben. Nun ziehen wir die Venen durch die alte Vene, die bisher den Bypass dargestellt hat und aus der wir mittels eines Instrumentes, das einen aufblasbaren Ballon am Ende hat, Thromben herausgezogen haben.

Nun sind wir am Unterschenkel angekommen, wo wir das Gefäß für den Fuss freipräpariert hatten und können dort unsere Vene aufnähen. Die Zeit rückt vor, es ist fast 13 Uhr, die sterile Schwester frägt, ob sie uns in der Kantine ein Mittagessen reservieren soll – sehr gerne! Im Nebensaal haben sie mit der großen Bauch-OP begonnen, der Chef stand zwischenzeitlich mal im OP-Gang, unsteril, später erfahre ich, dass sie dort eine Mittagspause einlegten und der externe Professor erst um 14 Uhr an den Tisch trat.

Ich verfluchte mich inzwischen dafür, dass ich keine Kompressionsstrümpfe angezogen hatte – morgens dachte ich noch, dass ich für 2h wohl keine brauchen würde. Ein klassischer Fall von „es kommt immer anders als man denkt„. Dazu rutscht inzwischen meine Maske nach oben und drückt von unten aufs Auge, die unsterile OP-Schwester zieht ihn mir zwei Mal nach unten. Ich kann es nicht leiden, wenn die Maske unterm Auge hängt.

Nachdem die Annaht des Bypasses am Gefäß geklappt hat, überprüfen wir den Blutfluss nach Eröffnung der Gefäßklemme am Gefäß an der Achillessehe (knapp daneben, der sog. Tibialis-Posterior-Puls). Das Doppler-Signal klingt super und während die Kollegen nochmals mittels des Ballons die Gefäße „durchputzen“ und danach dicht vernähen, kümmere ich mich um die Wunde in der Leiste und am Oberschenkel. Bei der ersten muss ich noch die Haut vernähen, kurz unterbrochen von einer Blutung am Unterschenkel, als eine Naht nicht dicht hält. Beim Oberschenkel darf ich alleine auch die Muskelhaut (Faszien) vernähen – mit der Warnung im Hinterkopf den dort verlaufenden Bypass bloß nicht kaputt zu machen; ein leicht mulmiges und unsicheres Gefühl sowas. Dann noch die Haut und schon sind wieder zwei Wunden weniger. Wir hoffen auf ein baldiges Ende, inzwischen ist es fast 14 Uhr. Im Nachbarsaal tritt de externe Professor an den Tisch. Dortige OP-Zeit: 3h, bei uns inzwischen 5h deutlich vorbei und die assistierende OP-Schwester wechselt, um sich ihr Mittagessen schmecken zu lassen. Und wir drei stehen noch immer am Tisch. Weiterlesen


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Krankheit der Woche IX: Harnwegsinfekt

Krankheit der WocheHARNWEGSINFEKT
HWI, Blasenentzündung, Pyelonephritis, Nierenbeckenentzüdung

Was ist das?

Die vorderen Anteile unserer Harnröhre sind mit Keimen besiedelt, ohne dass dies einen Krankheitswert hätte. Unsere Harnblase und alle höher gelegenen Teile des harnbildenden Systems sind jedoch steril und keimfrei. Dringen Erreger dort ein und führen zu einer Entzündung spricht man von einem Harnwegsinfekt. Am häufigsten betrifft das die Harnblase, weil die Keime eben von unten über die Harnröhre einwandern. Dann spricht man von einer Blasenentzündung (Zystitis). Die Keime können sich jedoch über die Harnleiter bis zu den Nieren ausbreiten und dort eine sog. Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) auslösen. Im schlimmsten Fall gelangen die Keime bis ins Blut und führen zu einer generalisierten Entzündung (Urosepsis). Weil bei Frauen die Harnröhre deutlich kürzer ist und somit auch der Weg für die Bakterien, sind sie viel häufiger betroffen als Männer.

Wie entsteht es?

Normalerweise werden Keime aus der Blase mit dem Urin wieder hinausgespült, bevor sie sich dort vermehren und zu einer Infektion führen können. Liegt eine Abflussbehinderung vor, ist dieser natürliche Schutz nicht mehr gewährleistet. Ein solches Hindernis kann eine anatomische Fehlbildung sein (z.B. Urethralklappen) oder eine Einengung der Harnröhre (z.B. durch eine vergrößerte Prostata). Auch die Schwangerschaft ist ein Risikofaktor, ebenso, wie mangelnde Flüssigkeitszufuhr und somit eine verminderte Urinmenge. Die natürliche Abwehr des Körpers wirkt der Keimvermehrung ebenfalls entgegen. Ist sie durch eine Krankheit gestört oder durch Medikamente beeinträchtigt, fördert das ebenfalls die Entstehung eines Harnwegsinfekts. Die natürliche Abwehr ist häufig auch überfordert, wenn besonders hohe Mengen an Keimen in die Harnblase gelangen, typischerweise durch ärztliche Eingriffe oder Katheter.
Typische Erreger eines HWIs, wie z.B. Escherichia coli (ein Darmbakterium und der häufigste Erreger), haben Ausläufer mit denen sie sich an den Schleimhäuten festhalten können, wo sie sich dann vermehren.

Was merkt man?

Nicht jeder HWI äußert sich mit Symptomen. Vor allem in der Schwangerschaft kommt es häufig zu einer sog. asymptomatischen Bakteriurie.

Eine akute Blasenentzündung äußert sich mit schmerzhaftem und erschwerten Wasserlassen (Algurie und Dysurie). Dies kann bis zu Krämpfen im Unterbauch reichen. Hinzu kommt ein häufiger Harndrang, der jedoch meistens unergiebig ist (Pollakisurie).

Betrifft die Infektion die Niere, ist das eine deutlich schwerere Erkrankung. Die Patienten leiden an Fieber mit Schüttelfrost, an Dysurie und Klopfschmerzhaftigkeit der sog. Nierenlager. Das ist der hintere Flankenbereich am unteren Ende des Rippenbogens, wo die Nieren liegen. Die Schmerzen können von dort in Bauch und Rücken ausstrahlen.

Wie stelle ich es fest?

Die wichtigste und einfachste Untersuchung ist eine Analyse des Urins. Man findet typischerweise reichlich Entzündungszellen (Leukozyten) und ggf. auch rote Blutzellen (Erythrozyten), als Zeichen für feine Blutungen, wenn die Entzündung das Gewebe verletzt hat. Um eine Infektion sicher diagnostizieren zu können, braucht es zusätzlich den Nachweis von Bakterien im Urin. Je nachdem, wie der Urin gewonnen wird, ist eine Verunreinigung der Probe allerdings vorprogrammiert. Nur bei direkter Punktion der Base gilt jeder Nachweis von Bakterien als krankhaft. Bei Mittelstrahlurin, den der Patient selbst auf Toilette abgibt, müssen es mindestens 100.000 Keime/ml für eine Diagnose sein. Für eine gezielte Therapie bietet es sich zudem an, die Keime genauer zu differenzieren und ihre Antibiotikaempfindlichkeit zu testen.

Zusätzlich kann man das Blut auf die Erhöhung bestimmter Entzündungswerte wie CRP untersuchen. Die Nierenwerte (Harnstoff, Kreatinin, – Clearance) geben Aufschluss über eine Mitbeteiligung der Niere und deren Ausmaß. Bei Verdacht auf eine Nierenbeteiligung sollte man diese zusätzlich mit dem Ultraschall untersuchen. Ein erweitertes Nierenbecken kann ein Hinweis auf Harnstau oder Entzündung sein.

Was kann man tun?

Die einfachste Therapie bei einer Blasenentzündung besteht aus Ruhe, Wärme und viel Tee (oder anderer Flüssigkeit) um die Harnwege „durchzuspülen“. Bei einer unkomplizierten Blasenentzündung kann das durchaus genügen. Ergänzend gibt es vielfältige pflanzliche Präparate. Vor allem zu Cranberry-Präparaten wurden mehrere Studien durchgeführt, die zwar mehrheitlich einen Nutzen zeigten, jedoch wegen Ungereimtheiten im Studiendesign kritisch betrachtet werden.

Das größte Problem der antibiotischen Therapie sind die hohen Resistenzraten, vor allem bei im Krankenhaus erworbenen Infektionen. Medikamente der Wahl sind z.B. Fosfomycin (nur Frauen), Nitrofurantoin.
Die ebenfalls gut wirksamen Gyrasehemmer (z.B. Norfloxacin, Ciprofloxacin), sind wichtige Reservemedikamente bei anderen schweren Erkankungen und sollten deshalb bei Blasenentzündungen zurückhaltend eingesetzt werden um weitere Resistenzbildungen zu vermeiden. Sie sind jedoch Mittel der Wahl bei unkomplizierten Nierenbeckenentzündungen eingesetzt.
Trimethoprim (+/- Sulfonamid) gelangt in sehr hoher Konzentration in den Urin und war lange Zeit Mittel der ersten Wahl. Heute liegen die Resistenzraten so hoch, dass es nur noch bei einem unkomplizierten, häuslich erworbenen HWI empfohlen wird. In der Schwangerschaft verwendet man Aminopenicilline oder Ceftriaxon.
Eine Pyelonephritis erfordert eine Antibiotikagabe über 7 bis 10 Tage, am besten unter Kontrolle im Krankenhaus. Bei jungen Frauen mit unkomplizierter Blasenentzündung kann auch eine eintägige Antibiotikatherapie ausreichend sein.

Schmankerl: Honeymoon-Zystitis

Auch beim Geschlechtsverkehr gelangen durch die anatomische Nähe vermehrt Keime in die weibliche Harnröhre. Problematisch sind dabei weniger die eigenen Keime, sondern die des Partners, die sich zwangsläufig darunter mischen. Auf sie ist die Abwehr nicht so gut eingestellt. Deshalb kommt es oft nach dem Sex mit einem neuen Partner bei der Frau zu einer Blasenentzündung, ohne dass ein anderer Auslöser erinnerbar ist. Früher war dies eben erst in den Flitterwochen der Fall, wodurch das Phänomen seinen Namen erhielt.

Diese Information ersetzt keinen Arztbesuch und erhebt keinen Anspruch auf  Richtigkeit oder/und Vollständigkeit.

– Spekulantin