Vor der Laparoskopie, bei der einer 21-jährigen Patientin ein gutartiger Lebertumor (fokale noduläre Hyperplasie) entfernt werden soll, fragt mich der Chefarzt, ob ich nicht assistieren möchte. Das wundert mich doch sehr, da es bei Bauchspiegelungen hier für die PJler eigentlich nichts zu tun gibt. Aber „nein“ sagt man da ja natürlich nicht.
Nachdem ich innerhalb der ersten fünf Minuten sogar kurz einen Haken festgehalten habe, verfolge ich in den nächsten zwei Stunden die OP auf dem Bildschirm. Immerhin bin ich steril und kann mir einreden, dass ich gerade einen sehr wichtigen Beitrag zu dieser OP leiste. Der mindestens 10×10 cm große Tumor kann problemlos vom gesunden Lebergewebe abgetrennt werden und muss nun nur noch aus dem Bauchraum entfernt werden. Hierfür erhält die Patientin einen Schnitt im Unterleib, der mit einem „Kaiserschnitt“ identisch ist, durch den der Tumor geborgen werden kann.
Dann sagt der Chefarzt „So, Ann Arbor, komm mal zu mir. Das wird jetzt ein besonderer Tag in deinem Leben.“
Hilfe! Was wird das denn? Ich gehe also zum Chefarzt, der zwischen den Beinen der Patientin steht. Er nimmt meine rechte Hand und zieht meinen Handschuh so weit wie möglich Richtung Ellbogen. Ich bin nun noch verwirrter als vorher. Was genau erwartet er denn jetzt von mir?
„So, jetzt stecke mal deine Hand hier rein!“
Da der Schnitt gerade groß genug für meine Hand ist, stecke ich sie brav in den Unterbauch der Patientin und freue mich, dass ich mal etwas tasten darf und nicht nur als stiller Zuschauer im OP stehe.
„Ja, und jetzt holst du den Tumor raus!“
Wie bitte?! Der Tumor liegt direkt unter dem Zwerchfell im rechten Oberbauch – das ist am „anderen Ende“ des Bauches. Soll ich da jetzt wirklich mit meiner Hand hin? Einfach so? Ja, das soll ich. Einfach so. Ohne Sicht. Also schiebe ich meine Hand vorsichtig etwas weiter in den Bauch der Patientin und verheddere mich natürlich gleich in den ersten Darmschlingen, die sich mir in den Weg legen. Ich befreie meine Hand und taste mich blind weiter voran. Es ist warm, weich, glibschig und überall ist Darm, den ich irgendwie umgehen muss – ein sehr merkwürdiges Gefühl. Irgendwann komme ich oben bei der Leber an, mein Arm verschwindet mittlerweile bis zum Ellbogen im Bauch der Patientin. Ich versuche den Tumor zu ertasten und halte schließlich irgendetwas in der Hand. Ist das der Tumor? Oder etwa ein Teil der Leber? Vorsichtig ziehe ich etwas daran, nichts bewegt sich.
Auf mein zögerliches „Kann ich denn da irgendetwas kaputt machen?“ folgt die nüchterne Antwort „Na klar.“
Ich versuche vorsichtig, was auch immer ich da in der Hand halte weiter zu mobilisieren.Jja keine Lebergefäße abreißen, falls es doch ein Teil der Leber ist. Aber irgendwann halte ich dann doch das komplette Stück in der Hand, es muss der Tumor sein. Ich ziehe meine Hand wieder durch den gesamten Bauch zurück und bringe den Tumor mit etwas Ziehen und Zerren ans Tageslicht. Der Prof gratuliert mir und ich muss unweigerlich grinsen. Das war das Coolste, das ich jemals gemacht habe…und gleichzeitig war es auch ein wenig erschreckend – in diesem kurzen Ausschnitt aus „Scrubs“ wird das ganz gut beschrieben.
Nur einen kleinen Wehrmutstropfen gibt es: meine hellgrünen Chucks (ja, hier trägt man seine eigenen Schuhe im OP) sind jetzt voller Blut…aber das war es wert!
Ann Arbor