Arzt an Bord

Zu Risiken und Nebenwirkungen…..


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Wie man es dreht und wendet – Beckenendlagen leicht gemacht

Von unserer geburtshilflichen Oberärztin Fr. Dr. Kupfer-Müllerhagen habe ich euch bisher noch nie erzählt. und das hat auch einen Grund. Ich hatte in 12 Wochen so gut wie nie mit ihr zu tun. Sie steht Lehre im Allgemeinen und Studenten im besonderen eher – sagen wir kritisch gegenüber. Das ist unglaublich schade, weil sie wohl mehr über Geburtshilfe weiß als alle Gynäkologen, die an der Uni Lehre machen. Sie beherrscht viele Techniken und hat jahrelange Erfahrung, vor allem in der vaginalen Entbindung spezieller Fälle.

Ein solcher spezieller Fall ist eine Beckenendlage, bei der das Kind quasi falsch herum im Mutterleib liegt. Nicht der Kopf, sondern der Po ist dem Muttermund zugewandt. Wenn tatsächlich der Steiß zuerst kommt – und nicht beispielsweise ein Fuß – kann man ein Kind in dieser Lage trotzdem entbinden. In den meisten Kliniken ist das allerdings eine Indikation für einen geplanten Kaiserschnitt, weshalb viele Frauen mit dem Wunsch einer Spontangeburt zu uns kommen. Genauer gesagt in die Sprechstunde von Fr. Dr. Kupfer-Müllerhagen. Also habe ich mir doch ein Herz gefasst und sie freundlich aber bestimmt gefragt, ob ich da nicht einmal dabei sein könnte. Begeistert war sie nicht, aber es hat sich gelohnt das zu ertragen.

An diesem Tag haben sich die Beckenendlagen im Wartezimmer nämlich geradezu gestapelt. Die erste Frau hatte bereits ein Kind geboren und wünschte sich auch für das zweite wieder eine Spontangeburt. Sie hat gehört, dass wir hier die Kinder drehen können und das würde sie gerne versuchen. Man kann tatsächlich eine sog. „Äußere Wendung“ versuchen, wenn ein Kind falsch herum liegt. Wenn sich der Steiß noch oberhalb der Beckenknochen befindet, kann man versuchen das Kind mit ein paar Handgriffen von außen am Bauch um 180° zu drehen. Bei Frau Lang  jedoch konnte man den Steiß nicht mehr erreichen. Sie war sehr enttäuscht, hatte fast Tränen in den Augen und es dauerte einen Moment, bevor ich begriff wieso. Sie nahm an, dass ein Kaiserschnitt nun unumgänglich sei. Zum ersten Mal an diesem Tag, war ich sehr beeindruckt von Frau Dr. Kupfer-Müllerhagen, die das mit einem Blick erfasst hatte und Frau Lang ruhig darüber aufklärte, dass eine vaginale Entbindung absolut möglich sei. Mit viel Zeit und einem Beckenmodell erklärte sie ihr – und damit auch mir – den Ablauf einer solchen Geburt und wir entließen eine zufriedene Frau aus dem Sprechzimmer.

Frau Rund hatte dann mehr Glück. Der Ultraschall und die Tastuntersuchung zeigten optimale Bedingungen für einen Wendeversuch. Und tatsächlich konnte Frau Dr. Kupfer-Müllerhagen vorsichtig eine Hand zwischen den kindlichen Po und den mütterlichen Beckenknochen schieben. Mit der anderen Hand bildete sie einen Durckpunkt für den Kopf und gab dann vorsichtig einen Impuls zur Seite. Und tatsächlich: Der kleine Knirps arbeitete eifrig mit, nahm den Po nach oben und drehte sich mit dem Rücken entlang der Gebärmutterwand um. Nachdem er einmal auf den Weg gebracht war, erforderte die Wendung nur noch wenige lenkende Handgriffe an Rücken und Kopf. Wow!
Jetzt heißt es also Daumen drücken, dass sich das Kind nicht wieder zurück dreht bis zur Geburt. Deshalb ist es auch so schwierig den richtigen Zeitpunkt für eine Äußere Wendung zu finden. Ist man zu früh dran, besteht die Gefahr, dass alles umsonst war, weil sich das Kind wieder zurück dreht. Wartet man zu lange, sitz der Steiß schon zu tief, wie bei Frau Lang.

Doch auch dann kann alles glatt laufen. Wie bei Frau Weiß, die in der selben Woche mit Wehentätigkeit in den Kreissaal kommt. Beckenendlage am Termin. Und weil ich jetzt ein bisschen die Scheu vor Frau Dr. Kupfer-Müllerhagen verloren habe, bitte ich darum bei der Geburt dabei sein zu dürfen. Es ist wirklich noch beeindruckender als die Äußere Wendung. Frau Weiß bekommt ihr Kind im Vierfüßlerstand und sie bekommt es sozusagen alleine. Und das funktioniert super. Der Steiß schiebt sich langsam nach draußen und ist dann plötzlich durch, die Beine fallen hinterher. Jetzt ist es wichtig, dass keine das Kind anfasst und erschreckt. Sonst würde es wahrscheinlich die Arme nach oben reißen und diese müssten neben dem Kopf auch noch durch den Geburtskanal passen. So aber hält es die Arme verschränkt auf der Brust und passt problemlos durch. Jetzt sitzt es quasi auf dem Bett, „Blick“ nach hinten und mit der nächsten Wehe kommt der Kopf. Einfach so. Es wirkt so unglaublich leicht, aber daran wie alle erleichtert aufatmen, merkt man, dass sie Anspannung doch groß gewesen ist. Mutter und Kind sind wohlauf und glücklich. Das nenne ich mal eine schöne Geburt.

– Spekulantin


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Eine Woche in Altrosa

Es hat tatsächlich geklappt! Nach wochenlangem Organisationsaufwand konnte ich eine Woche im Kreissaal bei den Hebammen hospitieren. Zum ersten Mal seit dem Pflegepraktikum habe ich wieder Schichtdienst gearbeitet und hatte endlich mal wieder Zeit für die Betreuung der Patientinnen.

Und es fing auch gleich super an. Montag früh in der Übergabe bekam ich einen altrosa Kittel und wurde einer jungen Hebamme zugeteilt, die an diesem Tag wahrscheinlich mehr Teaching mit mir gemacht hat, als das gesamte Ärzteteam in den 2 Monaten zuvor. Ich habe meinen ersten Katheter gelegt, meine erste frischgebackene Mutter auf Station übergeben und nebenher unglaublich viel über die Versorgung von Mutter und Kind nach der Geburt gelernt. Und es ist wirklich wahr, dass ich die Geburtshilfe aus einer ganz anderen Perspektive erlebt habe.

Das fängt schon damit an, dass wir nach der Übergabe in den Kreissaal gegangen sind um uns vorzustellen und ich ab diesem Zeitpunkt den Kreissaal nicht mehr verlassen habe. Ich habe viel über Frau Sanft erfahren, die dort unter Geburt lag. Sie hat von ihren beiden großen Jungs erzählt, von ihrem Haus, davon wie es nach der Geburt weiter gehen soll. Natürlich hat man immer wieder einen Blick auf das CTG geworfen, aber der Mensch da auf dem Kreisbett stand einfach viel mehr im Vordergrund. Leider ging es nicht so voran, wie ich ihr das gewünscht hätte. Frau Sanft war bereits seit dem vergangenen Abend mit regelmäßigen Wehen im Kreissaal und hatte auch über Nacht gut eröffnet. Aber seitdem war der Kopf des Kindes nicht tiefer getreten. Man merkte ihr deutlich an, wie erschöpft sie inzwischen war. Trotzdem folgte sie ohne zu murren den Anweisungen zur Wechsellagerung um so das Kind vielleicht ins Becken zu schaukeln.

Und dann wurde es plötzlich hektisch. Innerhalb von einer halben Stunde sammelten sich 2 Assistenzärztinnen und eine Oberärztin im Kreissaal. Jeder bestand darauf vaginal zu untersuchen um sich selbst ein Bild zu machen. Ich stellte meinen Stuhl ganz ans Kopfende des Bettes um ein bisschen aus dem Getümmel zu entfliehen. Ganz offenbar machte man sich Sorgen und darüber wurde auch fleißig diskutiert – irgendwo zwischen den Beinen von Frau Sanft. Und als Francesca dann plötzlich von dort auftauchte und verkündete, dass man schnell eine Sectio machen würde, war ich fast genauso überrascht, wie die werdende Mutter. Klar, das CTG war nicht schön und es zeigte sich kein Fortschritt der Geburt. Und am Ende war es auch sicher die richtige Entscheidung. Die Kleine schwamm in dick grünem Fruchtwasser, die Nabelschnur zweimal um den Hals und einmal um die Schulter gewickelt. Natürlich wäre eine vaginale Geburt so nicht möglich gewesen, schon die Entwicklung beim Kaiserschnitt war schwierig.

Aber das ist gar nicht der Punkt. Weiterlesen


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HowTo: CTG beurteilen

CTG = Cardiotocographie: Aufzeichnung (Graphie) der kindlichen Herzfrequenz (Cardio) und der mütterlichen Wehentätigkeit (Toco), eventuell ergänzt um Kindsbewegungen und Mutterpuls.

Das CTG ist in der Geburtshilfe eines der wichtigsten diagnostischen Mittel, da es eine kontinuierliche und nicht invasive Überwachnung des Fötus ermöglicht. Ein CTG sicher zu befunden, benötigt einige Erfahrung. Davon bin ich selbst noch weit entfernt. Aber es gibt zum Glück ein ganz grundlegendes Schema, dem man folgen kann um einen ersten Eindruck zu gewinnen:

I. Baseline: Die fetale Herzfrequenz (FHF) bildet keine glatte Kurve. Im Mittel sollte sie jedoch etwa zwischen 120 und 140 Schlägen pro Minuten (spm) liegen. Das ist um einiges höher als der Ruhepuls eines Erwachsenen, der bei etwa 50 bis 100 spm liegt. Übersteigt die Baseline für länger als 10 Minuten Werte von 150 spm, spricht man von einer Tachykardie, die Ausdruck eines vorübergehenden Sauerstoffversorgungsdefizit, einer mütterlichen Erkrankung oder in seltenen Fällen eines kindlichen Herzfehlers sein kann. Eine Baseline von weniger als 110 spm über mindestens 3 Minuten nennt man Bradykardie. Sie kann entweder durch einen Herzfehler oder häufiger durch eine bedrohliche Sauerstoffmangelversorgung (Hypoxie) des Kindes ausgelöst sein, die es nicht mehr ausgleichen kann.

II. Oszillation: Die leichten Schwankungen der Herzfrequenz um die Baseline bezeichnet man als Oszillation. Normalerweise sollten sie zwischen 10-30 spm betragen. Ein solches CTG würde man als unduliert oszillatorisch bezeichnen. Bei 5-10 spm Amplitude spricht man von einem eingeengt oszillatorischen CTG. Das kann Hinweis auf eine schlechte Sauerstoffversorgung des Kindes sein. Oder das Kind befindet sich einfach in einer Schlafphase. Zur Unterscheidung empfiehlt es sich einen Blick auf die mit aufgezeichneten Kindsbewegungen zu werfen, die in Ruhephasen nur sehr selten sind. Liegt die Oszillation unter 5 spm spricht man von einem silenten CTG, das ein wichtiger Hinweis auf kindliche Probleme ist.

III. Akzelerationen: Hierbei handelt es sich um einen Anstieg der Herzfrequenz um mindestens 15-20 spm mit Rückkehr zur vorherigen Baseline. Akzelerationen treten häufig synchron zu Kindsbewegungen auf. Eine CTG-Ableitung von etwa 30 Minuten sollte mindestens 2 Akzelerationen beinhalten.

IV. Dezelerationen: Als Dezelerationen oder Dips bezeichnet man Abfälle der Herzfrequenz über weniger als 3 Minuten. Je nach Bezug zu den Wehen lassen sich verschiedene Arten von Dezelerationen unterscheiden. Bei der Beurteilung sind stets die schnelle Erholung und die auch im Dip erhaltene Oszillation gute Zeichen.

1. Dip 0: wehenunabhängige, unregelmäßige Dezelerationen. Dauern sie weniger als 30 Sekunden und treten einzeln auf, sind sie als harmlos einzustufen. Dauern sie länger und treten relativ regelmäßig auf, sind sie ein Zeichen kindlicher Hypoxie.

2. Dip 1: Auch als frühe Dezelerationen bezeichnet. Dies sind regelmäßige Dips mit direktem Bezug zur Wehe. Sie beginnen mit deren Anfang und enden auch mit ihr zusammen. Typisch sind sie für die Austreibungsphase als Reaktion auf den Druck, dem der kindliche Kopf dabei ausgesetzt ist.

3. Dip 2: Auch diese Dezelerationen haben einen direkten Bezug zur Wehe. Sie beginnen jedoch erst auf dem Gipfel der Wehe (Wehenakme) und enden erst nach der Wehe. Deshalb werden sie auch als späte Dezelerationen bezeichnet. 2er Dips sind das wichtigste Alarmzeichen für eine kindliche Hypoxie.

4. Variable Dips: Dezelerationen mit unterschiedlichem Verlauf und Bezug zur Wehentätigkeit. Sie sind als Zeichen für Druck auf die Nabelschnur zu werten und deshalb typisch für Presswehen.

V. Wehentätigkeit: Die Qualität der Aufzeichnung ist stark abhängig von der Platzierung des Druckabnehmers. Deshalb lässt sich die Stärke der Wehe nicht beurteilen. Man schaut also auf die Dauer und die Häufigkeit der Wehen. Eine richtige Wehe hat ein klares Maximum und dauert mindestens 30 Sekunden. Jede kräftige Wehe bedeutet Stress für das Kind, sodass die Beurteilung der FHF stets auch von der Wehenkurve abhängt (s.o.).

VI. Mutterpuls: Die Aufzeichnung des Mutterpulses dient weniger der Überwachung der Mutter als viel mehr einer besseren Beurteilbarkeit der FHF. Sie verhindert, dass der Abnehmer für die kindliche Herzfrequenz unbemerkt fälschlicherweise die mütterliche Herzfrequenz ableitet. Gerade unter der Geburt können beide Kurven sehr eng bei einander liegen, wenn die Mutter auf den Stress mit Tachykardie und der Fet mit Bradykardie reagiert. Ein gutes Kriterium um sie trotzdem auseinanderzuhalten ist die Reaktion auf Wehen. Der mütterliche Puls steigt dabei aufgrund der Belastung an. Dagegen fällt die kindliche Herzfrequenz häufig in Folge der schlechteren Sauerstoffversorgung ab.

VII. Bildmaterial:

Ein normales CTG und ein pathologisches CTG

– Spekulantin