Arzt an Bord

Zu Risiken und Nebenwirkungen…..


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Eine Woche in Altrosa

Es hat tatsächlich geklappt! Nach wochenlangem Organisationsaufwand konnte ich eine Woche im Kreissaal bei den Hebammen hospitieren. Zum ersten Mal seit dem Pflegepraktikum habe ich wieder Schichtdienst gearbeitet und hatte endlich mal wieder Zeit für die Betreuung der Patientinnen.

Und es fing auch gleich super an. Montag früh in der Übergabe bekam ich einen altrosa Kittel und wurde einer jungen Hebamme zugeteilt, die an diesem Tag wahrscheinlich mehr Teaching mit mir gemacht hat, als das gesamte Ärzteteam in den 2 Monaten zuvor. Ich habe meinen ersten Katheter gelegt, meine erste frischgebackene Mutter auf Station übergeben und nebenher unglaublich viel über die Versorgung von Mutter und Kind nach der Geburt gelernt. Und es ist wirklich wahr, dass ich die Geburtshilfe aus einer ganz anderen Perspektive erlebt habe.

Das fängt schon damit an, dass wir nach der Übergabe in den Kreissaal gegangen sind um uns vorzustellen und ich ab diesem Zeitpunkt den Kreissaal nicht mehr verlassen habe. Ich habe viel über Frau Sanft erfahren, die dort unter Geburt lag. Sie hat von ihren beiden großen Jungs erzählt, von ihrem Haus, davon wie es nach der Geburt weiter gehen soll. Natürlich hat man immer wieder einen Blick auf das CTG geworfen, aber der Mensch da auf dem Kreisbett stand einfach viel mehr im Vordergrund. Leider ging es nicht so voran, wie ich ihr das gewünscht hätte. Frau Sanft war bereits seit dem vergangenen Abend mit regelmäßigen Wehen im Kreissaal und hatte auch über Nacht gut eröffnet. Aber seitdem war der Kopf des Kindes nicht tiefer getreten. Man merkte ihr deutlich an, wie erschöpft sie inzwischen war. Trotzdem folgte sie ohne zu murren den Anweisungen zur Wechsellagerung um so das Kind vielleicht ins Becken zu schaukeln.

Und dann wurde es plötzlich hektisch. Innerhalb von einer halben Stunde sammelten sich 2 Assistenzärztinnen und eine Oberärztin im Kreissaal. Jeder bestand darauf vaginal zu untersuchen um sich selbst ein Bild zu machen. Ich stellte meinen Stuhl ganz ans Kopfende des Bettes um ein bisschen aus dem Getümmel zu entfliehen. Ganz offenbar machte man sich Sorgen und darüber wurde auch fleißig diskutiert – irgendwo zwischen den Beinen von Frau Sanft. Und als Francesca dann plötzlich von dort auftauchte und verkündete, dass man schnell eine Sectio machen würde, war ich fast genauso überrascht, wie die werdende Mutter. Klar, das CTG war nicht schön und es zeigte sich kein Fortschritt der Geburt. Und am Ende war es auch sicher die richtige Entscheidung. Die Kleine schwamm in dick grünem Fruchtwasser, die Nabelschnur zweimal um den Hals und einmal um die Schulter gewickelt. Natürlich wäre eine vaginale Geburt so nicht möglich gewesen, schon die Entwicklung beim Kaiserschnitt war schwierig.

Aber das ist gar nicht der Punkt. Weiterlesen


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Pleiten, Pech und Pannen

Es gibt so Tage, da geht einfach alles schief. Aber meistens sind es dann doch nur Kleinigkeiten, die im normalen Alltag nicht ganz nach Plan laufen. Weil sich aus einer solchen Kleinigkeit kein ganzer Artikel basteln lässt, gibt es jetzt ein kleine Sammlung von Chaos-Kurzgeschichten aus dem ganz normalen Klinikwahnsinn.

Geladene Stimmung im OP

Wir operieren zu viert eine Tumorentfernung in der linken Brust mit angleichender Brustverkleinerung der rechten Seite. Der Chef und meine Lieblingsoberärztin Francesca stehen mit mir und einer weiteren PJ’lerin am Tisch. Die arme OP-Schwester ist ein bisschen überfordert davon in zwei Richtungen gleichzeitig anreichen zu müssen. Der Chef drängt zur Eile, weil er eigentlich um 15 Uhr ein Seminar zu halten hat. Selbst bei optimistischer Kalkulation der OP-Dauer stehen die Chancen pünktlich fertig zu werden ziemlich schlecht. Während wir also eifrig schnippeln, lässt er sich das Telefon ans Ohr halten und bittet sicherheitshalber um Verschiebung des Seminars. Francesca ist unterdessen mit Pinzette und Strom bei der Blutstillung zu Gange.
„AU!“, mit einem Schrei lässt sie plötzlich die Instrumente fallen und springt zurück. Vor lauter Schreck wirft die unsterile Schwester das Telefon fast ins OP-Gebiet. Der Chef braucht einen neuen Ärmel und Francesca hält sich den Finger. Offenbar hatte ihr Handschuh ein Loch und durch die fehlende Isolierung hat ihr der Strom den Finger verbrannt. Der Chef lächelt milde und meint: „Keine Sorge, das passiert mir auch häufiger.“ Francesca ist nicht so ganz überzeugt. „Also ich hatte das ja noch nie. Wie ist das denn passiert?“
20 Minuten später haben Francesca und der Chef die Plätze getauscht und er kokelt, während sie die Brustwarze umschneidet. Wieder schreit jemand und dieses Mal ist es der Chef, der in die Luft hüpft und die Pinzette durch den Raum schmeißt. Ganz offensichtlich passiert es ihm tatsächlich häufiger, dass sein Handschuh ein Loch hat. Francesca schüttelt nur staunend den Kopf.
Am Ende ist es wirklich weit nach 15 Uhr, als wir mit der Naht beginnen. Um ein kosmetisch schönes Ergebnis zu erreichen, fixiert der Chef sich die Schnittkanten zunächst mit Klammern, um die Haut in die richtige Position zu ziehen. Dann nähen wir die Unterhaut zwischen den Tackern hindurch, entfernen sie und machen die Hautnaht. 4 Leute hantieren auf engstem Raum mit 4 Nadeln und 3 Pinzetten (die Vierte liegt ja irgendwo unsteril im Raum verteilt). Klammern raus, neu zurecht ziehen, Klammern rein, Subkutannaht fertig, noch mehr Klammern raus, neue Ecke definiert, wieder Klammern rein… Die OP-Schwester verliert den Überblick und hat Angst, dass am Ende Tacker in der Patientin zurück bleiben. Also fängt sie an alle einzusammeln und zu zählen. 35 Stück waren es ursprünglich im Klammergerät. Nach zweimaligem Nachzählen hält sie jedoch immer noch 43 in der Hand. Wundersame Metallvermehrung. Wir sind ein bisschen ratlos, aber immerhin bedeutet das, dass wir keine Klammer in der Patientin vergessen haben. Und beim Hersteller wird sich auch keiner Beschweren, wenn der zu viel liefert…

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Auf den zweiten Blick

Die Anästhesie hasst uns dafür, wenn wir während der Einleitung schnell mal die Akte klauen um kurz noch eine Blick auf Ultraschallbilder und die Kurve zu werfen. Aber dieses Mal hat es sich gelohnt. Francesca blättert durch die Papiere und bleibt am Laborzettel hängen. Irgendjemand hat den Quickwert eingekreist. Dieser liegt bei 62% und lässt Francesca zum Telefon greifen. Eigentlich operieren wir Patienten bei elektiven Eingriffen erst ab einem Quick von 70%. Diese Patientin hat zudem bis vor einer Woche Marcumar genommen und seither auf Thrombosespritzen umgestellt. Es folgt ein Telefonmarathon mit der Assistenzärztin, die das Labor abgezeichnet hat, dem leitenden Oberarzt, der ihr dazu geraten hat und am Ende dem Chef, der eine Entscheidung trifft: Weiterlesen