Aufregung auf der Intensivstation – mehrere weiß und grün und blau bekleidete Leute laufen durcheinander, der Patient zwischen den weißen Laken rührt sich nicht, irgendjemand hebt seine Augenlider an und leuchtet mit einer Lampe hinein, Spritzen werden aufgezogen, Zugänge gelegt, Infusionen angehängt und im Hintergrund piepst und schrillt der EKG-Monitor.
Dann kommt sie zur Tür hinein, die junge, gutaussehende Ärztin, zieht den Kittel aus, schüttelt die langen Haare über die Schulter und greift nach den Pads. Ein Klecks Gel, einmal kräftig reiben, alle treten zurück und sie drückt die Pads auf die Brust. Stromschlag, der Patient bäumt sich effektvoll auf und das Schrillen der Alarme geht in das rhythmische Piepsen eines normalen Sinusrhythmus über.
SO werden Leben gerettet – zumindest im Film. Oder vielleicht in anderen Krankenhäusern. Oder wenn man dann mal wirklich Arzt ist. Mein eigener Auftritt war leider nicht ganz so spektakulär.
Zuerst einmal ist der Patient (genauer: die Patientin) ziemlich wach und beweglich zwischen den weißen Laken. Die 80-jährige Dame war mit stark verschlechterter Herzleistung bei neu aufgetretenem Vorhofflimmern aufgenommen worden. Das Ziel immerhin ist das Gleiche: Zurück zum normalen Sinusrhythmus. Bevor es soweit ist, muss aber ersteinmal ausgeschlossen werden, dass sich im Herzen nicht bereits Blutgerinnsel gebildet haben, die nach dem Umspringen ihren Weg in den Körper finden und dort Gefäße verschließen.
Dazu dient eine sog. TEE (Tranösophageale Echokardiographie) bei der sich das Herz durch einen Schlauch in der Speiseröhre mittels Ultraschall darstellen lässt. Dank der leichten Betäubung, die die Patientin dafür erhält, liegt sie jetzt doch ruhig zwischen den Laken.
Auch der Raum ist gut gefüllt mit Leuten in weiß und blau. Ein Narkosearzt und der internistische Oberarzt streiten sich um den TEE-Schlauch, zwei Assistenzärzte versuchen fachkundig die TEE-Bilder zu interpretieren, ein Pfleger kontrolliert die Infusion, ein anderer hält mehr Schlafmittel bereit und ich und unsere Famulantin haben es uns in der Ecke gemütlich gemacht um zuzschauen und möglichst nicht im Weg zu stehen.
Dann gibt es grünes Licht von der TEE-Front und Frau Flimmer wird zurück auf den Rücken gedreht. Der eine Assistenzarzt klebt ihr 2 überdimensionale EKG-Elektroden auf die Brust, eine über das Brustbein und die andere an die linke Brustwand. Neben mir erwacht piepsend ein Gerät zum Leben. Es handelt sich nicht um den Defibrillator, aber das Prinzip der sog. Kardioversion ist das selbe. Ein starker elektrischer Impuls soll das Erregungssystem des Herzens quasi auf Null setzten, damit dann der natürliche Schrittmacher wieder in Aktion treten kann.
Dazu werden nun die Elektroden mit dem Gerät verbunden und plötzlich sieht der Assistent auf: „Das wäre doch etwas für unsere Spekulantin. Komm mal her, du kannst das machen.“ Der Oberarzt nickt. Wie jetzt? ICH?! Stromstöße verteilen, Patienten heilen? Ich hab doch sowas in meinem Leben noch nicht einmal gesehen. Ich bin ziemlich sprachlos.
Und so stehe ich plötzlich neben der Patientin, die immer noch friedlich schlummert. Hinter mir piepst der EKG-Monitor, unregelmäßig aber nicht alarmierend. Vor mir steht das Gerät. Ich behalte den Kittel an und habe auch keine langen Haare zur Verfügung, die ich mal eben über die Schulter schütteln könnte. Pad und Gel gibt es auch keines, die Elektroden kleben ja schon.
Also drücke ich ein wenig zögernd den Knopf auf dem die Joule-Zahl steht und das Gerät brummt gehorsam, während es läd. Dann kommt der Moment und ich höre mich selbst diesen unglaublich klischeehaften Satz sagen: „Alle weg vom Bett!“ Und dann ist da dieser große orangefarbene Knopf mit dem Blitz drauf und ich drücke ihn und die Patientin bäumt sich tatsächlich im Bett auf. Das EKG ist für einen Moment still während alle gebannt den Monitor beobachten. Dann setzt die grüne Linie wieder ein und…. es ist ein Sinusrythmus! Ein paar zusätzliche Schläge sind dabei, der Herzmuskel ist offenbar noch ein bisschen irritiert, aber der Rhythmus ist stabil.
Ich stelle fest, dass ich tatsächlich ein bisschen feuchte Hände habe, während um mich herum ganz routiniert abgebaut wird. Elektroden ab, Gerät aus, vorbei. Ich selbst allerdings brauche an diesem Tag noch ein paar Stunden, bis ich ganz wieder in der Routine angelangt bin. Viel getan habe ich ja eigentlich nicht und trotzdem muss ich meinen rechten Zeigefinger manchmal kurz ein bisschen ungläubig anschauen, der das alles ausgelöst hat.
Das war mit Sicherheit Das Coolste, was ICH je in meinem Leben getan habe.
– Spekulantin
23. Juni 2013 um 17:27
kann man, wenn man „narkosearzt“ sagt nicht auch gleich sandmann sagen?
25. Juni 2013 um 05:18
Ich tendiere ja immer zu Anästhesist und dann lösch ichs wieder, weil ich mir denke es versteht dann keiner… 🙂
23. Juni 2013 um 18:51
Hehe! Nächstes Mal darfst Du dann hoffentlich auch Elektroden kleben, das ist doch viel wichtiger. 😉
Ich mag ja alte Serien wie „Emergency Tool“ und „St. Elsewhere“ (leider nur bruchstückhaft bei YouTube zu finden) dafür, dass nicht immer alles gut geht. Die neueren Serien kenn ich kaum …
Du hast keine langen Haare? Schade. 😉
P.S.: „Transösophageale“
P.P.S.: Beim neuen Hausarzt hängt im.Sprechzimmer ein Poster zum Thema Reanimation, bei dem von einem Faustschlag auf den Brustkorb vor der „richtigen“ Wiederbelebung die Rede ist. O_O
23. Juni 2013 um 19:53
Ja, den präkordialen Faustschlag gibt es tatsächlich. Aber soweit ich weiß gibt es keine gesichterten Ergebnisse, dass er was bringt, ist also an sich nicht mehr empfohlen. Mir wurde aber schon des öfteren von Ausbildern gesagt, dass wenn man einen beobachteten Herzstillstand hat, ohne einen Defi zur Hand zu haben, man den auf jeden Fall versuchen sollte. Der soll ja auch letztendlich das Herz einmal kurz auf Null setzen wenn es flimmert, damit wieder ein Sinusrhythmus entstehen kann… Im Ernstfall weiß ich nicht, ob ich ihn anwenden würde, ich würde wahrscheinlich einfach nicht dran denken und gleich mit der Herzdruckmassage beginnen… Aber versuchen kann man den schon 🙂
23. Juni 2013 um 21:31
Danke, das präkordial war mir entfallen. In Erste Hilfe-Kursen für Normalsterbliche 😉 hört man davon nix, vielleicht aus gutem Grund. Das Poster ließ auch offen, wo der Schlag genau ansetzt. Fast denke ich, dass da gefährliches Halbwissen verbreitet wird.
25. Juni 2013 um 05:23
Aus den offiziellen Guidelines ist er tatsächlich nicht mehr empfohlen, aber ich glaube versuchen würde ich es auch. Problem: Es bringt halt nur was, wenn der Patient auch tatsächlich flimmert, wenn das Herz still steht gibts nur einen blauen Fleck. Als Laienhelfer würde ich mich damit wohl nicht aufhalten und einfach drücken drücken drückn was das Zeug hält. Das mach ich danach sowieso, ob er flimmert oder nicht…
25. Juni 2013 um 05:21
Hey, das mit den elektroden ist wirklich nicht so ganz trivial. Die müssen schon so geklebt sein, dass das Herz dazwischen liegt und der elektrische Impuls da durch läuft 😛 Bringt nix, wenn du die eine rechts seitlich anklebst. Aber das würde ich mir schon zutrauen 😉
Ach, kurze Haare sind grad im OP eine echte Erleichterung. Aber ja, es fehlt halt die Dramatik des alltäglichen Auftritts 😀
11. Juli 2013 um 13:06
Also ich habe ja mal mit einem „Laien-Defi“ geübt, oder zumindest mit der „Ubungsform“ davon, und die geradezu riesigen Elektroden konnte man kaum falsch applizieren, wenn man sich zumindest so ein winziges Bischen an den Bildern orientiert hat, die da draufgemaltert waren. Und da das Ding mit einem gesprochen hat und alles sagte, was man so machen soll…
Jaja, es war die Cheat-Version für Dumme, nichts fürs Fachpersonal… 😀