CTG = Cardiotocographie: Aufzeichnung (Graphie) der kindlichen Herzfrequenz (Cardio) und der mütterlichen Wehentätigkeit (Toco), eventuell ergänzt um Kindsbewegungen und Mutterpuls.
Das CTG ist in der Geburtshilfe eines der wichtigsten diagnostischen Mittel, da es eine kontinuierliche und nicht invasive Überwachnung des Fötus ermöglicht. Ein CTG sicher zu befunden, benötigt einige Erfahrung. Davon bin ich selbst noch weit entfernt. Aber es gibt zum Glück ein ganz grundlegendes Schema, dem man folgen kann um einen ersten Eindruck zu gewinnen:
I. Baseline: Die fetale Herzfrequenz (FHF) bildet keine glatte Kurve. Im Mittel sollte sie jedoch etwa zwischen 120 und 140 Schlägen pro Minuten (spm) liegen. Das ist um einiges höher als der Ruhepuls eines Erwachsenen, der bei etwa 50 bis 100 spm liegt. Übersteigt die Baseline für länger als 10 Minuten Werte von 150 spm, spricht man von einer Tachykardie, die Ausdruck eines vorübergehenden Sauerstoffversorgungsdefizit, einer mütterlichen Erkrankung oder in seltenen Fällen eines kindlichen Herzfehlers sein kann. Eine Baseline von weniger als 110 spm über mindestens 3 Minuten nennt man Bradykardie. Sie kann entweder durch einen Herzfehler oder häufiger durch eine bedrohliche Sauerstoffmangelversorgung (Hypoxie) des Kindes ausgelöst sein, die es nicht mehr ausgleichen kann.
II. Oszillation: Die leichten Schwankungen der Herzfrequenz um die Baseline bezeichnet man als Oszillation. Normalerweise sollten sie zwischen 10-30 spm betragen. Ein solches CTG würde man als unduliert oszillatorisch bezeichnen. Bei 5-10 spm Amplitude spricht man von einem eingeengt oszillatorischen CTG. Das kann Hinweis auf eine schlechte Sauerstoffversorgung des Kindes sein. Oder das Kind befindet sich einfach in einer Schlafphase. Zur Unterscheidung empfiehlt es sich einen Blick auf die mit aufgezeichneten Kindsbewegungen zu werfen, die in Ruhephasen nur sehr selten sind. Liegt die Oszillation unter 5 spm spricht man von einem silenten CTG, das ein wichtiger Hinweis auf kindliche Probleme ist.
III. Akzelerationen: Hierbei handelt es sich um einen Anstieg der Herzfrequenz um mindestens 15-20 spm mit Rückkehr zur vorherigen Baseline. Akzelerationen treten häufig synchron zu Kindsbewegungen auf. Eine CTG-Ableitung von etwa 30 Minuten sollte mindestens 2 Akzelerationen beinhalten.
IV. Dezelerationen: Als Dezelerationen oder Dips bezeichnet man Abfälle der Herzfrequenz über weniger als 3 Minuten. Je nach Bezug zu den Wehen lassen sich verschiedene Arten von Dezelerationen unterscheiden. Bei der Beurteilung sind stets die schnelle Erholung und die auch im Dip erhaltene Oszillation gute Zeichen.
1. Dip 0: wehenunabhängige, unregelmäßige Dezelerationen. Dauern sie weniger als 30 Sekunden und treten einzeln auf, sind sie als harmlos einzustufen. Dauern sie länger und treten relativ regelmäßig auf, sind sie ein Zeichen kindlicher Hypoxie.
2. Dip 1: Auch als frühe Dezelerationen bezeichnet. Dies sind regelmäßige Dips mit direktem Bezug zur Wehe. Sie beginnen mit deren Anfang und enden auch mit ihr zusammen. Typisch sind sie für die Austreibungsphase als Reaktion auf den Druck, dem der kindliche Kopf dabei ausgesetzt ist.
3. Dip 2: Auch diese Dezelerationen haben einen direkten Bezug zur Wehe. Sie beginnen jedoch erst auf dem Gipfel der Wehe (Wehenakme) und enden erst nach der Wehe. Deshalb werden sie auch als späte Dezelerationen bezeichnet. 2er Dips sind das wichtigste Alarmzeichen für eine kindliche Hypoxie.
4. Variable Dips: Dezelerationen mit unterschiedlichem Verlauf und Bezug zur Wehentätigkeit. Sie sind als Zeichen für Druck auf die Nabelschnur zu werten und deshalb typisch für Presswehen.
V. Wehentätigkeit: Die Qualität der Aufzeichnung ist stark abhängig von der Platzierung des Druckabnehmers. Deshalb lässt sich die Stärke der Wehe nicht beurteilen. Man schaut also auf die Dauer und die Häufigkeit der Wehen. Eine richtige Wehe hat ein klares Maximum und dauert mindestens 30 Sekunden. Jede kräftige Wehe bedeutet Stress für das Kind, sodass die Beurteilung der FHF stets auch von der Wehenkurve abhängt (s.o.).
VI. Mutterpuls: Die Aufzeichnung des Mutterpulses dient weniger der Überwachung der Mutter als viel mehr einer besseren Beurteilbarkeit der FHF. Sie verhindert, dass der Abnehmer für die kindliche Herzfrequenz unbemerkt fälschlicherweise die mütterliche Herzfrequenz ableitet. Gerade unter der Geburt können beide Kurven sehr eng bei einander liegen, wenn die Mutter auf den Stress mit Tachykardie und der Fet mit Bradykardie reagiert. Ein gutes Kriterium um sie trotzdem auseinanderzuhalten ist die Reaktion auf Wehen. Der mütterliche Puls steigt dabei aufgrund der Belastung an. Dagegen fällt die kindliche Herzfrequenz häufig in Folge der schlechteren Sauerstoffversorgung ab.
VII. Bildmaterial:
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Ein normales CTG und | ein pathologisches CTG |
– Spekulantin
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6. Juli 2013 um 21:22
Hey,
ich bin per Google auf euer Blog gestoßen und wollte nur einmal sagen dass ich nach deiner Erklärung zum ersten Mal so richtig verstanden was die mit dem ganzen CTG-gelese überhaupt erreichen wollen.
Sollte ich vielleicht nicht allzu laut sagen, aber die Klausur kann kommen 🙂
Danke dir!
7. Juli 2013 um 09:56
Danke dir! Freut mich, wenn ich dir weiterhelfen konnte. Ich drück fest die Daumen für die Klausur.
22. Oktober 2014 um 21:05
Bin nach einem Notkaiserschnitt immer noch auf der Suche nach Antworten. Ein Nachgespräch mit den Verantwortlichen Ärztin/Hebamme/PJlerin wurde mir verweigert. Entschieden wurde aufgrund des Verdachts der Bradykardie „Die Herztöne ihres Kindes sind schlecht, wir müssen einen Kaiserschnitt machen“ – allerdings war das CTG eigentlich nicht auszuwerten – wenn überhaupt wurden nur 50-60% aufgezeichnet, die Werte waren häufig bei 80, dann sprangen sie hoch zu 120, der mütterliche Puls wurde nicht gemessen/verglichen. Der Kaiserschnitt wurde ohne meine Einwilligung, die Vollnarkose ohne mein Wissen durchgeführt.
Es wäre toll, wenn Du die hohe falsch-positiv-Rate, die CTG-Auswertung verursacht, in einem Nebensatz miterwähnen könntest und, dass ein CTG erst auszuwerten ist, wenn weniger als 15% Aufzeichnungsausfälle vorhanden sind. vgl. u.a. http://www.springer.com/medicine/thema?SGWID=1-10092-2-720009-0 – viele Frauen sind traumatisiert, wenn aufgrund einer falschen CTG-Interpretation eine Not-OP durchgeführt wird und sie sind machtlos. Außerdem ist der Nutzen von Dauer-CTG-Aufzeichnungen nicht belegt, weltweit (!) gibt es keine Studie, die einen positiven Nutzen (besseres Outcome Mutter/Baby) nachweisen würden, hingegen gibt es deutlich (!) mehr operative Beendigungen und Sectios. Dies sollte man sich vor Augen führen. Bei suspektem CTG –> Fetalblutanalyse!
Mein Kind hatte APGAR-Werte von 7|9|9 (im Anästhesie-Bericht wurde handschriftlich 10|10|10 notiert) das sind nicht die Werte, eines Kindes, was ernsthaften Sauerstoffmangel hatte. Meine Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung.